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Das Laden von Elektrofahrzeugen an öffentlichen Ladestationen wird oft missverstanden. Die einen wollen es ewig gratis, andere zu Ihrem Haushaltsstromtarif und nur wenige akzeptieren den Preis X eines Anbieters. Und genau hier liegt das Problem. Denn die Kosten für die öffentliche Ladeinfrastruktur sind erheblich. Die meisten sehen das aber offensichtlich nicht so und meinen, dass Anbieter den Ladestrom ja für wenige Cent pro Kilowattstunde einkaufen. Stimmt. Aber da sind noch mehr Kosten, die eine Rolle spielen. Selbst Ladepreise für 30 – 40 ct. pro kWh sind kaum kostendeckend. Fest steht aber auch: Je höher die Ladeleistung, desto teurer wird der Ladestrom. Abzocke sehen wir nur dann gegeben, wenn Anbieter wie z.B. IONITY Preise von 0,79 Euro oder mehr pro Kilowattstunde aufrufen. Das kostenlose Laden verschwindet nach und nach. Logisch, denn die Kosten und Steuern bleiben. Wir erklären mal die Fakten.
Fast 300 Tarife von nahezu 200 Anbietern sorgen in Deutschland nach wie vor für ein abschreckend kompliziertes „Tanken“ von E-Autos, ergibt eine aktuelle Studie. Das Tarifchaos ruft endlich auch Behörden auf den Plan.
Insgesamt 288 Tarife und 194 Anbieter von Autostrom hat das Bonner Beratungsunternehmen EUPD Research jetzt analysiert. Laut der nicht öffentlich zugänglichen „Vergleichsanalyse mobiler Ladestromtarife 2020“ bestehen bei den E-Ladetarifen erhebliche Preisunterschiede. Aber warum ist das so? Wie setzt sich der Preis von Ladestrom zusammen, wenn man an der Börse nur wenige Cent pro Kilowattstunde bezahlt?
Ladestrom Verkauf ist heute kaum wirtschaftlich
Ich möchte zunächst mit einem anderen Beispiel aufwarten: Viele trinken gern einen guten Kaffee. Dieser kostet im Schnitt 3,50 € in einem guten Café. Für das gleiche Geld kann man aber auch in jedem Discounter 500 g Kaffeebohnen erhalten. Die paar Gramm Kaffee und dann so viel Geld? Ja. Personalkosten, Maschine, Wartung, Wasser, Miete für die Räume, Steuern, Abgaben und danach will man noch auf die Toilette. Der Preis ist gerechtfertigt, weil alle Kosten einkalkuliert sind. Völlig normal und nicht anders ist es beim Ladestrom.
Die Kostenstruktur bei den Ladesäulen ist erheblich. 40 Cent pro Kilowattstunde Strom heißt für viele Betreiber immer noch ein Minusgeschäft. Aber warum ist das so?
Auch die Bundesnetzagentur greift in den Ladestrom-Markt ein und will künftig regionale Stromversorger verpflichten, an ihren Stationen auch Ladetarife ihrer Wettbewerber anzubieten – wie dies bei Haushaltsstrom schon lange der Fall ist. Der Wettbewerb soll ausgebaut und transparenter werden. Was heißt das genau?
Sie stehen an der Ladestation und wollen Ihr Elektrofahrzeug laden. Dafür erhalten Sie die Information über den Preis. Das passiert über die Ladesäule oder die App des Anbieters, mit dem Sie die Station freischalten möchten. Jeder Anbieter kalkuliert dabei anders. So spielt auch der Standort, die Ladestärke eine Rolle aber auch weitere Kosten, die wir hier erläutern möchten. Zunächst geht es um die Steuern, Abgaben und Umlagen:
Tipp: Um die folgende Tabelle optimal zu sehen, empfehlen wir Ihnen Ihr mobiles Gerät quer zu setzen.
Aufstellung über Abgaben und Steuern auf Strom
2020 |
2021 |
|
EEG Umlage |
6,756 ct./kWh |
6,500 ct./kWh |
KWK-G |
0,226 ct./kWh |
0,254 ct./kWh |
Netzumlage | Offshore |
0,416 ct./kWh |
0,395 ct./kWh |
Umlage §19 |
0,358 ct./kWh |
0,432 ct./kWh |
> ab 1.000.000 kWh |
0,050 ct./kWh |
0,050 ct./kWh |
energieintensiv |
0,025 ct./kWh |
0,025 ct./kWh |
AbLAV |
0,007 ct./kWh |
0,009 ct./kWh |
Stromsteuer |
2,050 ct./kWh |
2,050 ct./kWh |
AbLAV: Umlage abschaltbarer Lasten
KWK-G: Kraft – Wärme Kopplungs Gesetz
Umlage §19: Stromnetzentgeltverordnung
Check der allgemeinen Kosten
Schauen wir uns einmal die Kosten für eine öffentliche Wechselladestation an. 2 Ladepunkte mit je 22 kWh Ladeleistung. Neben dem Einkaufspreis für den Strom (Börsenpreis) kommen noch rund 10 Cent pro Kilowattstunde an Grundkosten für alle Abgaben und Steuern dazu. (Siehe Tabelle) Damit wären wir bereits bei 15 – 17 Cent pro Kilowattstunde. Des Weiteren kommen Netzanschluss und Netzkosten vor Ort dazu, Tiefbauarbeiten, die Ladestation als Hardware. Außerdem muss eine eichrechtskonforme Abrechnung installiert sein, Kosten für das Backend insgesamt fallen auch an. Das kann sehr teuer sein – je nach Art und Anbieter. Dazu kommt die Inbetriebnahme. Gegebenenfalls muss ein Lastmanagement aktiviert oder installiert werden, je nach Vorgabe des Netz Betreibers.
Für den laufenden Betrieb fallen an: Roamingkosten, das heißt: Man kann mit der Ladekarte eines Anbieters, die Ladesäule eines anderen Anbieters nutzen. Diese Kosten werden über eine Clearingstelle z.B. Hubjekt untereinander verrechnet. Bei Nutzung einer Bank oder Kreditkarte fallen sogenannte Transaktionskosten an. Diese Kosten entstehen, wenn die Bank den Zahlvorgang des Kunden genehmigt und an den Ladesäulenbetreiber überweist. Meistens gibt es weitere laufende Kosten wie monatliche Backend-Kosten die zwischen 5 und 10 € pro Ladepunkt anfallen, unabhängig von erfolgten Ladevorgängen. Außerdem sind regelmäßige Wartungen vorgeschrieben. Dazu kommen Vorgaben wie Rammschutz, Markierung und Beschilderung des Standortes der Ladesäule. Ferner wird häufig erwartet, dass ein gewisser Telefonsupport angeboten wird. Auch dieser kostet und auch Mietkosten für den Platz können anfallen, um z.B. Winterdienst zu ermöglichen.
Hier ein paar Cent, dort ein paar Cent. Das summiert sich deutlich.
Die Kosten sind erheblich
Durchschnittlich 18.000 € Kosten fallen für eine Wechselladestation, Netzanschluss, Bauarbeiten, Inbetriebnahme vor Ort pro Säule aus. Rechnet man im besten Fall 50 % Förderung bleiben bei 5 Jahren Betrieb der Station jährliche Kosten von knapp 2000 €, neben den Betriebskosten übrig. Rund 5 Euro pro Tag betragen die baulichen Grundkosten bis zur Abschreibung + die laufenden Betriebskosten.
Wird der Ladestrom aus erneuerbaren Energien gewonnen und vor Ort verbraucht ergeben sich weitere Berichtspflichten zur Abführung der Abgabenlasten.
Bei einer Schnellladestation sprechen wir von ganz anderen Summen, die deutlich höher sind. Zwar werden diese Anschlüsse in der Regel auch deutlich mehr gefördert. Aber von einer durchschnittlichen Förderung von 50 Prozent ist nicht immer auszugehen. 100.000 € pro Standort sind möglich. Beim Einsatz von Mittelspannung ist aber auch die technische Realisierung deutlich teurer.
Kosten für Roaming
Viele fragen sich, warum die Kosten so unterschiedlich sind. Klar ist: Was man an ein und derselben Station zahlt ist unterschiedlich, weil die Grundvoraussetzungen so unterschiedlich sind. Gehört einem Anbieter die Säule kann man davon ausgehen, dass man mit dem Ladeangebot dieses Betreibers am günstigsten aufladen kann. Hier kommt alles aus einer Hand. Lade ich an derselben Station mit einem Anbieter, der einem das Laden per Roaming ermöglicht, kann es teurer sein. Das ist logisch. Hier fallen Roamingkosten an – das heißt der eine Anbieter gewährt dem Kunden eines anderen Anbieters den Zugang. Die Clearingstelle z.B. Hubjekt verrechnet nun die Ladevorgänge und Ihr Anbieter muss den Ladevorgang bezahlen, das sind rund 34 Cent.
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Dazu kommt möglicherweise noch ein Aufschlag Ihres Anbieters dazu mit dem Sie einen Vertrag haben. Obendrauf die Mehrwertsteuer ergibt einen Preis X pro Kilowattstunde.
Sehr unterschiedlich ist dabei das Vorgehen eines Anbieters. Einige arbeiten möglicherweise mit Pauschalen und Mischkalkulationen, andere sind Einzelkämpfer und noch andere hängen sich per Roaming an Betreiber. Diese Anbieter sind in der Regel auch teurer als gewöhnlich. Klar ist aber, dass dieses „Geschäft“ aktuell für die meisten Anbieter ein Zuschussgeschäft ist. Hier ist der Markt heftig in Bewegung.
Flatrate für das Laden
Es gibt sie kaum noch: Die Flatrate für das Laden. Das ist auch in Ordnung, denn die meisten Anbieter haben erkannt, dass das ziemlich ausgenutzt wurde. Dort, wo noch Flatrates angeboten werden gibt es aber auch knallharte Bedingungen, wie z.B. ein bestimmter Anteil des Ladens an den Stationen des Anbieters. Es wurde mit immer mehr Elektrofahrzeugen auch klar. Das Roaming in diesem Fall war so, dass der Anbieter der Ladeflat den Ladevorgang bei einem anderen Betreiber einer Säule pro Kilowattstunde zahlen musste. Bei 25 € pro Monat, die eine Flatrate kostete war es u.U. schon bei einem Ladevorgang so, dass jeder weitere Ladevorgang an einer fremden Station ein Zuschussgeschäft war. Heute gibt es noch wenige regionale Anbieter: Stadtwerke Bremen, Dinslaken oder Wetzlar im Verbund Ladenetz oder auch für den innogy Verbund. Hier gilt es sich die Bedingungen genau anzusehen. Einige Hersteller bieten per Kooperation Ladekarten an. Auch mit diesen Zugängen kann man günstig laden. Wir erwarten hier deutliche preisliche Veränderungen.
Kostenpflicht wird Standard
Da die meisten Ladevorgänge aktuell zu Hause oder im Unternehmen stattfinden, ist das Laden an öffentlichen Stationen nicht der Regelfall. Sollte es nicht möglich sein zu Hause oder in der Firma zu laden und ist man auf öffentliche Ladestationen angewiesen, sollte man sich sehr genau informieren, welcher Anbieter in Frage kommt. Der Preisunterschied kann erheblich sein. Einige Anbieter wie TESLA, EnBW, Maingau Energie loben zusätzlich „Blockier-Gebühren“ aus. Darauf sollte man achten. Ziel ist es, dass Ladestationen nur belegt werden, wenn tatsächlich geladen wird.
Das kostenfreie Laden wird nach und nach verschwinden, denn kein Anbieter kann es sich auf Dauer leisten, dass dieser Steuern und Abgaben zahlen muss, wenn Sie dort laden. Lidl und Kaufland führen in Kürze die Autorisation und das Bezahlen ein. Bei ALDI Nord wird das Laden kostenpflichtig und andere Händler geben ihre Standorte und Parkplätze frei, sodass Ladesäulenbetreiber dort Ladestationen errichten, die Kunden während Ihres Aufenthaltes nutzen können. Allerdings in der Regel kostenpflichtig.
Was kann man tun?
Ein bisschen mehr Realität täte uns gut. So wie bei allem im Leben ist es die Aufgabe des Nutzers zu entscheiden was er wählt und wie er damit umgeht. Die Pfiffigen haben es im Griff. Andere jammern und meinen damit was zu ändern. Die Entwicklung der Ladeinfrastruktur ist enorm, aber sicherlich nicht perfekt. Sie darf sich entwickeln und das tut sie deutlich.
Wir empfehlen: Ein Zugang im Verbund Ladenetz, einen Zugang im Verbund innogy und der Blick auf einen Zugang den ein Hersteller über Partnerunternehmen gewährt. Damit kommt man gut durch den Dschungel. Beobachten Sie den Markt, denn so wie sich Preise überall ändern werden sich auch Ladepreise verändern. Überlegen Sie genau, ob Sie Tarife mit Grundgebühren nutzen möchten und ob es sich für Sie lohnt. Und denken Sie klein, denn Sie brauchen keine Ladekarte für den Urlaub, den Sie einmal im Jahr machen.
Wichtiger ist aber, dass wir die Idiotie von vielen ausbremsen. Nutzer, die Ladesäulen ohne Ladevorgang blockieren, Nutzer, die kostenfreies Laden ausnutzen ohne Kunde zu sein, Blockierer von Ladesäulen mit Verbrennern, die man höflich bitten sollte, die Beschilderung zu beachten, denn Verkehrsregeln gelten auch für Sie.