Foto: emobicon®
Kostenlos ist gar nichts wie man weiß. Aber man kann sich dran gewöhnen, wenn man kostenfrei Strom laden kann, zum Beispiel während des Einkaufs. Und aus Gewohnheit für eine lange Zeit des Luxus erwacht man nun in der Realität. Es geht zu Ende. Vorbei das Schnorren von kostenfreien Ladevorgängen. Vorbei die Wahrscheinlichkeit einen freien Ladestecker zu erhaschen. Vorbei die Bequemlichkeit für oft wenig viel zu verlangen. Während dessen schreitet der Ausbau von Ladeinfrastruktur weiter voran, insbesondere bei Supermärkten, Einkaufszentren und Discountern. Allerdings anders, als die meisten es dachten. Denn das Laden kostet – so oder so. Wir finden es prima, denn zum Schluss wurde es immer unangenehmer…
Kostenlos wird nicht geschätzt, sondern ausgenutzt
Seit Monaten war klar, was in 2021 passieren wird. Tarife wurden neugestaltet, Flatrates gekündigt, Preise angepasst. Das kostenfreie Laden wurde nach und nach beendet. Und dann kamen sie. Die zahlreichen Ankündigungen der Betreiber und der Lebensmittelmärkte, der Rathäuser und aus der Gastronomie. Wir bauen Ladeinfrastruktur auf. Zum Beispiel REWE mit Fastned, TOOM und Hellweg mit EnBW, ALDI mit einem eigenen System z.B. mit kontaktloser Kartenzahlung und der Mischung aus Normalladern und Schnellladestationen, Lidl und Kaufland stellen aktuell auf Autorisation um. Von kostenfreiem Laden auf eine Freigabe per Karte – ab Februar auf Kostenpflicht. Es ist nicht überraschend und es wäre absurd es so weiter laufen zu lassen. Es wurde nicht mehr geschätzt, sondern als selbstverständlich ausgenutzt. Parkplätze müssen Ladestationen bekommen – sicher aber nicht kostenfrei!
Viele Nutzer sind unverschämt
Und eine berechtigte Frage bleibt: Was ist daran jetzt so schlimm, wenn der Strom Geld kostet? Schaut man sich Reaktionen aus dem Netz an, dann ist es eine Mischung aus Erleichterung und meckern. Diskussion ist kaum möglich. Aber warum das? Weil man aus einer Gewohnheit ein Recht ableiten will?
Fest steht: Es wurde oft ziemlich absurd. Da steht ein Elektrofahrzeug an einer Station. 98 % geladen, aber die letzten 2 Prozent müssen es noch sein. Teils gemeingefährliche Reaktionen, wenn man darum bat die Station frei zu machen. Auch Drohungen gab es.
Dreister war es dann noch, wenn wir immer wieder mitbekamen, dass Fahrer eine Tour von A nach B machten und nur diese kostenfreien Lader gezielt angefahren sind, sich dann noch aufregten, weil sie jetzt nicht laden können, weil sie es jetzt müssen.
Dreiste Beschimpfungen für die Betreiber
Immer wieder kam es auch vor, dass Fahrer Ihre Fahrzeuge dort angeschlossen und geparkt haben – stundenlang, obwohl der Ladevorgang oft bereits erledigt war. Noch öfter erlebte ich das bei Plug in Modellen. Die Dreistigkeit hat in den letzten Monaten zumindest deutlich zugenommen. Dass das Laden für KUNDEN vorgesehen war und ist, ignorierten immer mehr. GUT, dass das dem Ende zu geht.
Wir haben mit einigen Händlern gesprochen, oder wir wurden angefragt, welche Lösung am besten erscheint. Ich habe einige E-Mail gelesen, die Händler bekamen, weil das Laden nicht funktioniert, ein Stecker defekt war, Verbrenner auf den Ladeplätzen standen, oder die Ladeleistung nicht stimmte. Die Reaktion war verständlich: Das übliche Bla Bla. Es tut uns leid. Fertig. Der Anspruch von so manchem war schon echt daneben – so auch die Wortwahl. Sogar echte Beschimpfungen. Unglaublich, war wahr.
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Was nix kostet, ist auch nix
Was besonders ärgerlich war und bis heute ist: Es wurde mutwillig zerstört. Gehört einem ja nicht, Hauptsache ich schnorre Strom und nutze es aus so wie ich es will. Kabel an den Schnellladern liegen auf dem Boden, werden nicht aufgehoben. Man fährt eben mal drüber und zeigt, wie egal es einem ist und schätzt nicht, was einem geboten wird – ziemlich oft sogar. Dass das alles Geld kostet, auch wenn man selber nichts bezahlt, haben viele nie auf dem Schirm gehabt. Und die billige Argumentation: „Ich kaufe da ja auch ein“ zieht nicht, weil die meisten für 5 Euro „eingekauft“ haben, aber möglichst für 20 € Strom gezogen haben. JA, auch das ist Teil der Realität.
Fossilen Kraftstoff gibt es auch nicht umsonst
Aber im selben Moment der Widersprüche erhebt man den Anspruch, dass dieses kostenfreie Laden aber auch bitte schön immer funktional ist. Ich beschwere mich, wenn es mal nicht geht. Ziemlich gaga, oder? In der Absurdität mancher Gedankengänge möchte ich nicht stecken.
Aber nun, nach und nach, sehen es immer mehr Anbieter, wie es wirklich ist. Ich mache was, habe aber nur wenig bis nichts davon. Und wenn die kostenfreien Möglichkeiten entfallen, so wie die meisten es tun werden, dann wird man die Kostenpflicht einsehen. Den Kraftstoff, den viele brauchen gibt es ja auch nicht umsonst.
Wir sind uns sicher: Die eine oder andere Werbeaktion wird möglich sein – mal schauen, welche Züge es dann nimmt.
Ist Kostenpflicht Abzocke?
Der Hintergrund der Notwendigkeit ist einfach erklärt: Jede Kilowattstunde, die geladen wird kostet Geld. Nicht die paar Cent, die von vielen in den Raum geschmissen wird, sondern die Steuerpflicht für jeden Ladevorgang, Wartung, das Backend, Eichrecht usw. Das ist nichts anderes als die sonst übliche Kostenpflicht an den sonstigen Ladesäulen im öffentlichen Raum. So einige wollen davon aber nichts wissen. Das Wort „Abzocke“ ist dabei nichts anderes, als der billige Versuch der Realität zu entschwinden. Es gibt noch eine Menge zu tun und zu regeln, um faire Preise für das Laden zu ermöglichen. Wir sind aber in einer Entwicklung, die die Notwendigkeit schafft, den Preis X für einen Ladevorgang auszuloben. Wie bei jedem Produkt. Ich zahle den ausgelobten Preis oder nicht. Zwingen kann man weder den Nutzer noch den Anbieter.
Ein DANKE für Möglichkeiten
Einiges ist klar, manches noch nicht. Aber zunächst erstmal ein DANKE SEHR bei den vielen Betreibern von Ladestationen, die ich nutzen konnte, ohne dafür zu zahlen. Gut 2 Jahre lang und gut 50.000 km Strecke habe ich praktisch nichts für das Laden bezahlt. Ich fahre ja auch schon 7 Jahre elektrisch und die ersten 2 Jahre war das so. Sehr wenige öffentliche Lader, oder bei diversen Händlern, die das ermöglicht hatten. Es gab weder Gesetze noch Rahmenbedingungen und für die meisten war dies aber auch ein Experiment. Nach und nach änderte sich die Situation. Ladesäulenverordnung, Elektromobilitätsgesetz, Eichrecht, Schieflast, steuerrechtliche Fragen und was da alles kam. Dinge, die heute eine entsprechende Relevanz haben, um zu entscheiden, welche Möglichkeiten sind für mich als Betreiber einer Ladeinfrastruktur möglich. Fest steht. Das kostenfreie Laden für den Nutzer kostet dem Betreiber Geld – eine Menge sogar.
Viele Ladestationen sind abgeschaltet – ein Ladevorgang derzeit nicht möglich. Die Umstellung der Systeme läuft | Bild: emobicon
Ladevorgänge haben deutlich zugenommen
Kaufland und Lidl stellen Ihre Systeme aktuell um. Derzeit ist es schwierig dort zu laden. ALDI baut aus oder auf und das mit Kostenpflicht wird kommen, z.B. mit Kreditkarte. Bei REWE gibt’s bald Strom von Fastned – auch das kostet das übliche. Wieder andere nutzen die „großen Anbieter“ wie innogy oder EnBW mit kostenpflichtigen Lademöglichkeiten. Unabhängig davon erleben wir aber auch, dass viele Stadtwerke Ihre Stationen umstellen. Ob „Tank E“ Netz im Rheinland, in Soest oder sonst wo: Die Begründung klingt immer ähnlich: Die Anzahl der Ladevorgänge hat deutlich zugenommen. Wir müssen aus Kostengründen umstellen. Logisch. Zum anderen, so die Informationen von emobicon, ist aber auch das Ausnutzen der Sache ein Grund. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nun da in Systeme zu kommen, um Ladevorgänge einfach zu gestalten. Meistens jedenfalls.
Ladesäulen sind keine Parkplätze
Vermehrt haben wir aber auch den Eindruck gewinnen können, dass viele Einzelstationen mit jeweils eigenen Backend Systemen wieder zu einem neuen Wirrwarr führen werden, wenn nicht endlich dafür gesorgt wird, dass das Laden einfach und unkompliziert gestaltet wird.
Auch das Laden beim Arbeitgeber klappt nicht überall. Die Spielregeln muss man sich schon gestalten in dem man zum Beispiel dafür sorgt, dass geladene Fahrzeuge Platz machen, um anderen das Laden zu ermöglichen. Bitte sprechen Sie mit den Verantwortlichen. Auch deshalb, um eine Gewohnheit erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dafür sind auch die Ladestationen beim Arbeitgeber zu wertvoll und wichtig, um das Laden für viel mehr Nutzer zu ermöglichen.
Ein Früher gab es mehr Zusammenhalt
Goingelectric, Chargemap und Co waren mal zuverlässige Partner – auch um sich kennen zu lernen und die damals wenig vorhandene Ladestation zu finden. Es wurde gepflegt und drauf hingewiesen, wenn es neue Stationen gab, oder die eine oder andere defekt war. Heute findet das kaum mehr statt. Wie oft habe ich in der Vergangenheit Ladestationen gefunden, die als defekt gemeldet waren, aber dann doch funktionierten. Schlecht machen und sich aufregen ist eben so einfach geworden.
Der eine oder andere Händler hatte Ladestationen – oft die einzig brauchbaren in einem Gebiet. Wie oft gab es nette Gespräche, einen leckeren Kaffee. Das Laden war, so unsere Erfahrung, immer umsonst. War oft sogar ganz toll. Heute stehen oft Vorführer oder Verbrenner an den Stationen. Es gibt keine Sensibilität mehr für das Thema. Wie furchtbar und schlecht alles ist, das scheint Standard zu sein. Ja, es ist nicht alles perfekt. Muss es auch nicht, weil es sich entwickeln darf. Und das tut es auch. Ein bisschen mehr Sensibilität und Sinn für die Realität täte uns allen gut.
Schöner Text !