Ladeinfrastruktur: Die große Lüge mit der Deckelung des Ladepreises

Endlich. Könnte man meinen. Endlich kommt Bewegung in den Aufbau von Ladeinfrastruktur mit einem großen Fördervolumen von rund zwei Milliarden Euro. Für die Ausschreibung, die Mitte September startet gibt es aber einen Haken, der stutzig macht. Pro Ladepunkt wird eine Preisobergrenze von 44 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Bitte was? Mit der heutigen Kostenstruktur, den zahlreichen Abgaben und Steuern ist das kaum auf Dauer durchzusetzen. So viel Realität muss sein. Begründet wird der Maximalbetrag damit, dass das Fahren mit dem Elektroauto nicht teurer sein soll als mit dem Benzin- oder Dieselfahrzeug. Ein Dieselpreis von 1,35 Euro entspreche einem Preis von 45 Cent pro Kilowattstunde für den Strom am Ladepunkt. Die Anbieter werden erfinderisch sein – sogar mit Genehmigung der Politik.

10 Minuten Regel wird nicht überall möglich sein

Die Ausschreibung für das Schnellladenetz läuft. Das ist gut, richtig und wichtig. Das Problem wird aber nicht vollständig gelöst werden können. So ist heute ein deutlicher Unterschied erkennbar zwischen einigen Regionen. Während Mec Pom und Sachsen-Anhalt nur wenige Schnelllader haben, sind Industrieregionen wie in Bayern, NRW oder Hessen schon gut besetzt. Die Ausschreibung wird zeigen, dass es lukrative und weniger lukrative Flächen gibt. Logisch: Die weniger gefragten Regionen werden es weiter schwerer haben – trotz sehr hoher Förderungen. Ob die „10 Minuten Regel“ überall gelten wird bleibt abzuwarten.

Die geplanten Schnellladepunkte sollen das Fahren mit dem Elektroauto alltagstauglicher machen. Mit einer Mindes Leistungsfähigkeit von 200 Kilowatt sollen sie das Aufladen von Strom für mehrere Hundert Kilometer ermöglichen.

Die Kostenstruktur lässt keinen niedrigen Ladepreis zu

Uns wundert der Preis schon sehr und das aus gutem Grund. Schaut man sich die Preisstruktur an, dann ist sofort erkennbar, dass ein solcher Maximalbetrag nicht dauerhaft möglich ist. Einzige Ausnahme wäre, wenn man Abgabenlasten, wie die EEG-Umlage senkt oder sogar abschafft. Davon ist aber, zumindest derzeit nichts geplant.

44 Cent pro Kilowattstunde für eine DC Lademöglichkeit? Ist das mal wieder Wahlkampf oder ein besonderer Trick oder wie kann man sich die Preisstruktur erklären? Kaum einem ist klar, was der Betrieb einer Ladestation kostet.

Schon öfter waren Ladepreise Gegenstand zahlreicher Diskussionen – auch bei uns. In zahlreichen Rechenmodellen, die wir in Konzeptionen klar sehen ist die Annahme vieler Ladevorgänge pro Ladepunkt pro Standort kaum darstellbar.

Nach Börsenpreis ist vor Steuern, zzgl. zahlreicher Abgaben und laufenden Kosten wie Roaming, Backend, Wartung, Netzentgelte usw. Gehen wir von einem Durchschnittspreis – nach Steuern von rund 19 Cent pro Kilowattstunde Energie aus wird bis zu 12 € pro Ladepunkt an Backendkosten fällig. Zusätzlich fallen Transaktionskosten und Roaming-Gebühren an. Selbst bei Zahlung per Bank oder Kreditkarte müssen Transaktionskosten gezahlt werden. Jeder Baustein sind sicher nur Cent Beträge – in der Summe sind einige Cent eine Menge bei einem Zielpreis von Brutto 44 Cent. Übrigens: Die Grundkosten fallen auch an ohne Ladevorgang. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Preiserhöhungen. Ein normaler Vorgang. Die Station kostet schließlich auch Geld, wenn nicht geladen wird.

Dazu kommen regelmäßige Wartung und Sicherheitschecks, die deutlich höheren Netzanschlusskosten, möglicher Telefonsupport usw. Schnellladestationen mit hoher Leistung sind technisch eine ganz andere Hausnummer. Eine Reduzierung kann sich ergeben, wenn viele Ladevorgänge die Betriebskosten aufteilen. Vielleicht. Schaut man den Status genauer an, dann sehen wir heute häufig gähnende Leere an bereits vorhandenen Schnellladern. Sicher, es gibt Ausnahmen, z.B. in der Urlaubszeit, an Feiertagen usw. Können diese Spitzenzeiten das wett machen?

Wir bauen sehr viel Ladeinfrastruktur auf, sind mit Systemen, Kosten, Backendanbietern und Co bestens vertraut. Auch deshalb interessierte uns diese Aussage des Ministers Scheuer besonders. In der heutigen Situation ist eine mögliche Vereinheitlichung nicht möglich.

Das System „Tesla Supercharger“ ist nicht vergleichbar

Ein Vergleich zum Ladepreis an den TESLA Superchargern hinkt. Der Grund ist ganz einfach: Kein Roaming, keine Kreditkartenzahlung, keine Abrechnung im klassischen Sinn. Das liegt daran, dass das System Tesla sich selbst verwaltet und bestimmte Kosten so nicht hat. Das müssen sie auch nicht, weil sie nicht an die klassische Ladesäulenverordnung gebunden sind. Das liegt u.a. am Eichrecht, welches seit April 2019 für alle öffentlichen Ladestationen vorgeschrieben sind. Wie und was sich ändert, wenn Tesla, wie angekündigt seine Supercharger für alle freigibt bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen.

Der Gebührentrick

Kommen wir zu den möglichen Tricks, die einfach auf der Hand liegen. Sie wollen sich nicht binden, sondern laden nur gelegentlich oder an Stationen unterschiedlicher Anbieter? Das wäre ja ganz normal und hoffentlich entspannt. So wollen das auch die meisten Fahrer von Elektrofahrzeugen, wenn sie gelegentlich an den Schnellladern laden. So mache ich das auch. Ein Ladepreis, ohne zusätzliche Gebühren. Aber Gebühren sind längst da – aus unterschiedlichen Gründen, mit unterschiedlichen Konzepten. Warum werden sie erhoben? Ganz einfach. Es ist nötig, schafft Kundenbindung und nimmt den Nutzer damit in die Pflicht einen Teil der Kosten zu übernehmen und das sogar ohne das man auch nur eine Kilowattstunde Strom geladen hat.

Ich erinnere mich noch an zahlreiche Diskussionen. Dabei ging es immer wieder um den Nutzen und wie sich das rechnet. Und genau damit fängt es an: Nur für wenige rechnet es sich schlussendlich, denn man sollte diese Gebühren mal zuzüglich des Ladepreises nehmen, den man heute schon zahlt. Die Frage ist also: Was haben die Gebühren mit dem Laden zu tun?  Startgebühr, Aktivierungsgebühr, Vielfahrertarif, Grundgebühren für bestimmte Preismodelle – also nichts Exotisches – auf den ersten Blick. Das Ad hoc Laden ohne Extragebühren wird teurer werden, auch, weil man mit Startgebühr, Session Gebühr, Grundgebühr und anderen Erfindungen und nur dann auch den Auftrag erfüllt: Das Laden kostet 0,44 € pro Kilowattstunde. Dieses ist auch möglich, weil die Ladesäulenverordnung solche Gebühren nicht verhindert. Andere Faktoren schon, z.B. die zeitliche Komponente, in der Regel im Minutentakt, der oft zusätzlich angefallen war.

Lohnen sich EXTRA – Gebühren?

Schauen wir uns mal ein aktuelles Modell an: Hyundai verlangt eine grundsätzliche Grundgebühr von 4,99 € monatlich für das Paket „EASY“ – ZUSÄTZLICH, nach einem „kostenfreien“ Jahr 13 € Grundgebühr für das IONITY Ladepaket für das Sondermodell IONIQ P45 – monatlich. Das sind zusammen 215,98 € pro Jahr. Und damit ist noch keine einzige Kilowattstunde geladen. Ein Gewöhnungseffekt tritt ein und logischerweise wird man da laden wo es (noch) günstig ist, auch weil man ja eine Grundgebühr hat. Wir rechnen mal anders, denn für über 200 € pro Jahr kann ich auch viel laden. Nehmen wir mal den Standardpreis von EnBW für die ultraschnellen HPC Lader. Die Kilowattstunde kostet hier 0,55 € pro Kilowatt, ohne zusätzliche Gebühren. Das macht gut 393 Kilowatt Strom, die ich für den Preis der Grundgebühr laden kann. Rechnen wir weiter. 393 kW, die ich quasi für die Grundgebühr erhalte macht bei einem Durchschnittsverbrauch von 18 kW pro 100 Kilometer 2100 Kilometer die ich mit der Grundgebühr laden kann.

Vergleichen wir mal den Standardpreis bei IONITY, der liegt aktuell bei 0,79 € pro Kilowatt. Bei 215 € Jahresgebühr für den IONIQ 5, also Grundgebühr + IONITY Schnellladen für 0,29 € pro kW heisst dass, dass ich für die Gebühren 273 kW Strom erhalten kann, wenn Strom 0,79 € pro Kilowatt kostet. 273 kW Strom sind 1500 Kilometer die ich mit dieser Strommenge laden kann. Rechnen, nachrechnen, gegen rechnen und analysieren ist angesagt. Bequemlichkeit kostet quasi extra.

Die Frage ist aber, ob die Blockier Gebühr, die einige Anbieter erheben weiter gelten wird. Eine Veränderung diesbezüglich scheint möglich. Der Hintergrund: Ab 4 Stunden Ladezeit wird eine Blockier Gebühr erhoben. Diese ist unterschiedlich und kann rund 12 Euro pro Ladevorgang zusätzlich kosten. Übrigens: Tesla erhebt 1 € pro Minute, wenn man nicht 5 Minuten nach Beendigung des Ladevorganges wegfährt und den Ladeplatz freigibt. Ich begrüße die Gebühr ausdrücklich, denn sie verhindert in der Regel, das kostbare Ladeplätze zu kostenlosen Parkplätzen werden, wenn Fahrzeuge ausreichend geladen haben oder den Ladevorgang schon beendet haben.

Im Einzelfall kann sich das sogar rechnen. Abhängig vom Streckenprofil und dem Anteil des öffentlichen Ladens. Im Moment aber sind die meisten Ladevorgänge weder DC Ladungen oder öffentlich. 80 Prozent der Ladevorgänge finden zu Hause oder in Unternehmen statt. Ähnlich wie bei Flatrate Modellen, die es noch gibt und bei dem einen passt bei dem anderen nicht. Bei durchschnittlich 15.000 km p.a. muss der Anteil der DC Ladungen schon groß sein – mal ganz realistisch betrachtet.

Betreiber werden erfinderisch bleiben

Ich bin mir auch nicht sicher, ob das schon alles ist. Wir kennen das von der Online-Buchung einer Reise oder bei Fluggesellschaften. Dort kommen häufig Gebühren hinzu, wenn man nicht ausdrücklich eine bestimmte Zahlungsart nutzt. In der Regel sind das eigene Karten. Ziemlich raffiniert und ärgerlich zugleich. So ist höchstrichterlich entschieden: Ein Anbieter muss in diesem Fall mindestens eine Zahlungsart anbieten, die keine Gebühren kostet. Und beim Laden? Möglicherweise wird es ähnlich kommen. Der Betreiber der Station definiert einen besonders günstigen Zugang, alles andere, auch Roaming könnte anders oder mehr kosten. Irgendwie kennen wir das schon: Bevorzugung verschiedener Fahrzeugmodelle zum Beispiel bei IONITY. Für alle anderen wird es extra teuer. Für ein bestimmtem Zugang wird es eine gebührenfreie Nutzung geben, für andere werden EXTRA Gebühren fällig, wetten?

Die übernächste Änderung ist schon auf dem Weg, denn laden zu bestimmten Zeiten, nämlich dann, wenn viel Strom im Netz ist, wird offensichtlich günstiger werden – zu anderen Zeiten teurer. Quasi nach dem Prinzip: Angebot und Nachfrage. Auch hier kennen wir ähnliche Modelle, wenn zigmal am Tag der Preis an der Tankstelle schwankt: Mal hoch, mal runter. Und bei diesem Prinzip wissen wir regelmäßig, dass immer vor Feiertagen, bei Ferienbeginn und am Wochenende Hochpreiszeit ist. In internen Gesprächen heißt es dazu, dass es möglicherweise darum geht, den Preis „durchschnittlich“ bei 44 ct. pro Kilowattstunde zu deckeln. Er kann also mal höher oder niedriger sein. Der Auftrag wäre erfüllt.

Die Politik die mal wieder unehrlich ist

Ich bin mir sicher: Alles das weiß auch die Politik. Und statt jetzt die Maßnahmen und Bedingungen zu vervollständigen, lässt man es so, denn angeblich regelt das der Markt. Nein er wird es nicht regeln. Ehrlich wäre gewesen: Die Kostenstruktur mit all den Steuern, Abgaben und Gebühren, die ohnehin anfallen lässt die Obergrenze eines Ladevorganges für 44 ct. pro Kilowattstunde nicht zu. Unehrlich ist es so zu tun: Wir haben es im Griff. Das dicke Ende kommt genau so, wetten? Günstiger wird es nicht – das Gegenteil ist zu erwarten – meistens jedenfalls. 0,44 € pro Kilowatt Strom wird, wenn überhaupt die absolute Ausnahme sein.

In der Pressemitteilung heisst es dazu:

Von den 44 Cent je Kilowattstunde sind konkret 20,23 Cent für den Strom kalkuliert. Die „Ausgleichskomponente“, die an den Bund zurückfließt, wird zunächst mit 17,85 Cent festgesetzt – kann aber später nach unten korrigiert werden. Dem Betreiber bleiben als „Preissetzungsspielraum“ 5,95 Cent je kWh – die er nutzen kann, aber nicht muss. „Wenn wir jemand dafür bezahlen, eine Leistung zu erbringen, muss er die Investition nicht über den Ladepreis hereinholen“, sagt Johannes Pallasch, Sprecher des Leitungsteams der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur.

Für das Laden über einen Ladestrom-Vertrag mit einem E-Mobility-Provider (EMP) wird zudem festgesetzt, dass der B2B-Preis für die EMP leicht unter dem Ad-hoc-Preis liegen muss, da die Transaktionskosten beim EMP, nicht beim Ladepunktbetreiber anfallen. Dieser B2B-Preis muss für alle EMP gewährt werden, direkte Verhandlungen und unterschiedliche B2B-Preise werden untersagt. Aber: „Wir legen nicht den Endkundenpreis fest“, sagt Pallasch. „Was der EMP aus dem B2B-Preis macht, bleibt seine Sache.“

Das heisst nichts anders als: Wir werden sehen…

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