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Die Veränderungen kommen. Schneller und heftiger als gedacht. Das wird nicht jeden schmecken. Schon jetzt wird natürlich wieder der Untergang herbeigerufen, weil es so bequem ist. Während die Lobby sich in Position bringt, gibt es auch ein Gerangel zwischen der Bundespolitik und den neuen EU Vorgaben. Ist es die Einsicht, sich viel zu zögerlich verhalten zu haben? Und auch nach dem Autogipfel ist klar: Nichts wird mehr sein, wie es war. Nicht ganz neu ist nun eine City Maut im Gespräch, Fahreinschränkungen drohen ohnehin und die erhöhte KfZ Steuer und der CO2 Preis beim Kraftstoff, die ab 2021 starten, werden erst der Anfang einer grossen Veränderung werden. Die Mobilität wird einmal mehr auf den Kopf gestellt. Das bequeme und individuelle Autofahren à la Deutschland hat sowieso wenig mit Mobilität zu tun. Sondern eher mit Kontroll- und Statusgefühlen. Schauen wir uns das mal an.
Bis 2030: 50 Prozent weiniger CO2 im Verkehrssektor vorgesehen
So will die EU die CO2-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030 noch einmal dramatisch verschärfen. Möglich ist, dass Kanzlerin Merkel diesmal nicht bremst. Warum sollte sie, nach den Versprechen der Vergangenheit.
Medienberichten zu folge plant die EU Kommission die Verschärfung ihrer Einsparvorgaben für den Schadstoffausstoß bei Neuwagen. Im Jahr 2030 sollten diese nun 50 Prozent weniger CO2 ausstoßen, und nicht wie bislang geplant 37,5 Prozent. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die Pläne sollen auch die Option vorsehen, den Verkehrs- und Gebäudesektor in das europäische Emissionshandelssystem zu integrieren. Klar ist, dass Kraftstoffe deutlich teurer würden. Konkrete Informationen sind dazu noch nicht zu bekommen. Die Reaktion des Verbandes der Automobilindustrie kam prompt und diese neuen Pläne stossen auf Widerstand. „Wir stehen zu den vereinbarten, sehr ambitionierten Zielen“ Weiter heisst es in einer Pressemitteilung: „Eine weitere Zielverschärfung bis 2030 lehnt die deutsche Autoindustrie allerdings entschieden ab.“ Sie berücksichtige in keiner Weise den dramatischen Konjunktureinbruch und die Folgen der Corona-Krise, die die Industrie zusätzlich zum eigenen Umbau unter Druck setzten. Demnach müsste, so der VDA, der Marktanteil von Elektrofahrzeugen dann bei 50 Prozent liegen. Derzeit liege der Marktanteil bei Neuzulassungen bei 7,2 Prozent.
Betrachtet man die Ziele genau sind es sogar 55 Prozent. Wobei der Verkehrssektor die grösste Last schultern muss. Zuletzt hatte genau dieser Bereich am wenigsten zur Reduzierung des CO2 Ausstoss beigetragen. Kanzlerin Angela Merkel hat sich hinter das Vorhaben gestellt. Und auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vollzog einen Kurswechsel in der Klimapolitik und will Deutschland nun auf einen tiefgreifenden Wandel vorbereiten.
Gegenüber Reuthers sagte er: „Ich bin der Auffassung, dass wir Klimaschutz als die zentrale und vorrangige Aufgabe unser Generation begreifen und entsprechend handeln müssen“ Er räumte Fehler ein, auch das man zu langsam reagiert hat.
Altmaier: Klimaneutralität und Wirtschaftskraft zusammen bringen
Nach der NRW Wahl steht nun bereits die Bundestagswahl 2021 vor der Tür. Um die Aufgabe nicht durch Wahlkämpfe auszubremsen, sollten Bundestag und Bundesrat eine „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“ beschließen, so der Minister. Er wünscht sogar eine Beteiligung von Kirchen und Umweltverbänden. Diese hatten sich in der Vergangenheit immer wieder beschweren müssen, dass ihre Anliegen nicht gehört werden. Er schlug insgesamt 20 Punkte vor: So solle bis 2050 für jedes Jahr ein CO2-Einsparziel, sowie ein Anteil des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz festgelegt werden. Bei einem höheren EU-Klimaziel müsse auch der geplante CO2-Preis in Deutschland steigen. Mit Plug in Hybriden, wie die Industrie es versprach wird es ja auch nicht besser. Im Gegenteil. Auch sie stehen nun auf dem Prüfstand.
City Maut empfohlen
Führende Wirtschaftsinstitute fordern nun auch noch eine „Anti-Stau-Gebühr“ von bis zu zehn Euro pro Tag. Ausnahmen soll es nicht geben – nicht mal für die Bewohner der betroffenen Gebiete. Im Gegenteil. Fest steht bereits, dass Anwohnerparken deutlich teurer werden soll. Das war aber schon länger bekannt. Auch das Parken wird demnach kostenintensiver.
Das M-Wort scheuen die Forscher. Noch. Dabei hat der Leiter des Münchener ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien genau das untersucht: eine Maut für die Münchener Innenstadt. Falck spricht stattdessen von einer „Anti-Stau-Gebühr“ und empfiehlt sie nicht nur für die bayerische Landeshauptstadt, sondern im Grunde für jede staugeplagte Großstadt in Deutschland.
Auf der Suche nach Lösungen
Die Forscher des ifo Institutes sagen: „Alle Städte sollten über eine solche Gebühr nachdenken“. Denn zumindest im Fall von München sei eine City-Maut ein sehr wirksames Instrument, um den Verkehr in der Innenstadt deutlich zu reduzieren, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass weniger Menschen zu den Geschäften in den Fußgängerzonen kommen. Und das tun viele Städte bereits.
Die ifo-Forscher haben mit ihrer Analyse herausgefunden, dass schon eine tägliche Gebühr von sechs Euro zu einer Reduktion des Autoverkehrs um mehr als 23 Prozent innerhalb des Mittleren Rings in München führen würde. Läge die Maut bei zehn Euro, würden sogar 30 Prozent weniger Fahrzeuge in den Innenstadtbereich fahren. „Schon eine moderate Gebühr würde beträchtliche Effekte erzeugen“ so die Verkehrsforscher.
Das liegt auch daran, dass die Forscher empfehlen, dass es keinerlei Ausnahmen von der City-Maut geben dürfe. Auch die Bewohner der Innenstadt und Taxifahrer, die dort ihr Geld verdienen, sollen die Gebühr bezahlen. Stattdessen sollte ein Teil der aus der Maut entstehenden Einnahmen für die Entlastung von ärmeren Menschen verwendet werden.
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Einnahmen für den Nahverkehr
Was könnte mit den Einnahmen geschehen? Das ifo Institut geht demnach davon aus, dass bei einer Gebühr von sechs Euro zusätzliche Einnahmen von rund 600 Millionen Euro jährlich möglich sind. Davon könnte ein Teil in einen Mobilitätszuschuss zum Beispiel in Höhe eines Jahrestickets für den öffentlichen Nahverkehr fließen, so die Ökonomen.
Der Großteil der Einnahmen soll in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs fließen. Bedürftige sollten den Gegenwert allerdings als Zuschuss bekommen und kein Ticket, sodass sie selbst entscheiden können, in welches Verkehrsmittel sie das Geld investieren.
Nicht nur München steht dabei im Focus, denn man geht davon aus, dass sich die Ergebnisse ihrer Studie auch auf andere Großstädte übertragen lassen. Allerdings muss man die lokalen Bedingungen genau berücksichtigen. Je nach Region könnte es auch sein, dass schon niedrigere Maut-Beträge in anderen Städten zu einer stärkeren Wirkung führen als in München, weil die Bewohner dort weniger zahlungskräftig sind als in der bayerischen Landeshauptstadt. Auch die PKW Dichte spielt eine wichtige Rolle. So liegt in München die Pkw-Dichte bei 460 Fahrzeugen auf 1000 Einwohner – in Berlin sind es aktuell nur 326.
Klar ist den Forschern aber auch, dass sich der Verkehr nicht immer weiter reduzieren lasse, indem man einfach eine noch höhere Gebühr verlangen würde. „Es gibt eine starke Nichtlinearität“, so die Forscher. Das sieht man schon daran, dass sechs Euro Maut zu mehr als 23 Prozent Verkehrsreduktion führen, zusätzliche vier Euro dann aber die Reduktion nur noch um sieben Prozentpunkte auf 30 Prozent steigern. Um den Verkehr noch stärker, um beispielsweise 50 Prozent zurückzudrängen, müsste man daher laut den ifo – Forschern einen sehr hohen Betrag verlangen, der dann wiederum zu einem Akzeptanzproblem führen würde.
Reduzierung des Verkehrs ist unausweichlich
Fest steht aber, dass zeigen die Prognosen, dass die Probleme in den kommenden Jahren noch zunehmen werden. Und klar scheint ausserdem, dass man eine deutliche Reduzierung des Verkehrs braucht. Denn ändert man nichts am System und führe keine City-Maut ein, oder reduziere den Verkehr mit anderen Maßnahmen wie Fahrverboten, wäre schon 2030 in München der komplette Tag zwischen sechs und 21 Uhr Hauptverkehrszeit, prognostizieren die Forscher.
Das ifo-Institut hat in seinem Gutachten auch untersucht, ob man statt einer Maut eine höhere Parkgebühr einführen könnte. Hierbei kam man zum Ergebnis, dass das den Verkehr nur geringfügig reduzieren würde. So käme man mit einer Erhöhung der Parkgebühr von sechs auf zehn Euro pro Tag gerade einmal auf ein Minus von 1,2 Prozent. Eine weitere Reduzierung des Parkplatzangebotes ist allerdings sinnvoll, so die Forscher.
Weniger Individualverkehr möglich
Die Forscher untersuchten auch mögliche Auswirkungen. Laut der Studie müssten die Einzelhändler die Einführung einer solchen Maut nicht fürchten. An Beispielen wie Kopenhagen und Amsterdam ist es sicher, dass immer noch fast genauso viele Menschen in die Innenstadt kommen. Besser ist es für das Freizeitverhalten insgesamt. Deutlich Aufwind würden Gastronomen haben.
Die ifo Forscher sehen in die Reduzierung der Fahrzeugzahl eine verstärkte Nutzung des Nahverkehrs. Ausserdem würde die Anzahl von Fahrgemeinschaften wieder zunehmen. Fazit der ifo Studie: „Das Konzept einer Anti-Stau-Gebühr ist für alle staugeplagten Städte bedenkenswert.“
Ja, es sind viele mögliche Einschränkungen. Aber wären sie so schlimm? Nein, glauben wir nicht. Die Gewohnheit ändert sich und das Bewusstsein. Homeoffice, Stiefkind aus einer früheren Zeit ist zwangsweise salonfähig geworden. Der Radverkehr, als eine Alternative hat deutlich zugenommen, auch die Gewohnheit des Urlaubes im Ausland nahm aus verschiedenen Gründen zuletzt deutlich ab. Fest steht: Da kommt was auf uns zu und keiner wird sich dem entziehen können. In internen Gesprächen hören wir, dass die Maut auf deutschen Autobahnen ebenso nicht vom Tisch ist.
Muss uns das Angst machen? Nein. Es kann uns aber kreativ machen und sollte jeden zum Nachdenken anregen.
Deutschland, das Autoland steht damit aber auch vor weiteren Herausforderungen. Insbesondere die Automobilindustrie. Schon länger haben diese zu kämpfen.
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Ein Einbruch in der Automobilindustrie wie nie zuvor
Schon lange ist der Wandel der Automobilindustrie sichtbar. Nicht nur in Deutschland. Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens EY belaufen sich die operativen Verluste der 17 größten Autokonzerne im zweiten Quartal 2020 auf fast 11 Milliarden Euro. Noch im vergangenen Jahr hatten dieselben Unternehmen noch 22 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Sinkende Umsätze, Änderungen des Verkehsverhaltens, Elektromobilität, Corona – fast 177 Milliarden Euro Minus. Das ist ein Rückgang um 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Dabei liegen die deutschen Hersteller im Mittelfeld. Der Umsatz von Volkswagen ging um 37 Prozent, der von Daimler um 29 und von BMW um 22 Prozent zurück. Einen solch grossen Einbruch gab es noch nie. Die Pandemie hat die weltweite Automobilindustrie zeitweise fast zum Stillstand gebracht – mit entsprechend katastrophalen Folgen für die Umsatz- und Gewinnentwicklung.
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Keine Gesamterholung in Sicht
Während der Klimawandel auch bei den Verbrauchern immer relevanter wird, die Zulassungszahlen bei Elektrofahrzeugen zuletzt weltweit angezogen sind, ist der Einbruch bei der Vermarktung von Verbrennern zuletzt so deutlich eingebrochen wie nie.
Das zweite Quartal wäre für deutsche Fahrzeughersteller wie die Daimler AG sogar noch weitaus schlimmer verlaufen, wenn sich China nicht so schnell von der Corona-Krise erholt hätte. Chinas Absatzmarkt erweist sich als wichtigster Stützpfeiler für Daimler, BMW und VW. So konnten alle drei deutschen Autokonzerne im zweiten Quartal in China zulegen, während der Absatz in den anderen Regionen massiv eingebrochen ist. Der Anteil Chinas am weltweiten Absatz der deutschen Autobauer kletterte dadurch von 33 auf 51 Prozent.
Die Nische verändert aber auch den Markt. Start ups mischen den Markt der Elektromobilität auf. Während Tesla sich etabliert hat, kommen weitere asiatische Hersteller auf den europäischen Markt. Das schafft zusätzlichen Druck auf die etablierten Hersteller.
Das Thema Mobilitäswende bleibt gerade bei den deutschen Herstellern ein grosses Problem. Unabhängig von Corona und der Pandemie ist klar, das es weiter Arbeitsplatzverluste und Werksschliessungen geben wird. Es wird hart, aber man sollte auch die Chancen sehen. Die ewige Schwarz / weiss Malerei bringt uns nicht weiter. Jede Veränderungen bringt Gewinner und Verlierer hervor. So weiter machen, wäre aber ein Verlust für uns alle.
Fazit
Es kommt dicke und wird konsequent sein. Viel Zeit wird nicht mehr sein und jeder von uns wird sich ändern müssen. Der Winter wird zeigen, wie die Leute ticken und jetzt will und muss man gegensteuern, denn sonst droht Chaos – noch mehr Chaos als bisher. Städte haben keine Lust mehr mit Verbrennern ein Problem zu bekommen. Corona verschärft die Situation insgesamt deutlich. und der Klimawandel fordert noch mehr handeln, als bisher. Das Thema Abgas und CO2 ist mehr denn je im Focus. Das besondere: Nicht mehr nur lokal und national, sondern auf EU Ebene werden die Fakten geschaffen.
Das Wehren gegen Massnahmen ist zudem nicht mehr schickt, schon gar nicht verständlich. Und da der Verkehr der grösste Verbraucher von CO2 ist, muss gegengesteuert werden. Klar ist: Individuelle Mobilität wird deutlich teurer, aber auch in Corona Zeiten haben wir gelernt mit Veränderungen umzugehen. Mobilität hilft dabei, aber:
„Wir beobachten aktuell einen Hochlauf der E-Mobilität, der allerdings noch mit angezogener Handbremse erfolgt. Diese wird sich nach unseren Untersuchungen jedoch in den nächsten beiden Jahren lösen. Die Hersteller brauchen dringend den Elektroboom, um die Zielvorgaben bei den CO2-Emissionswerten zu erfüllen und Strafzahlungen zu entgehen. Allerdings haben sie es auch versäumt, entsprechende Produktentwicklungen rechtzeitig anzustoßen und die Bereitstellung von Produktionskapazitäten zu forcieren, sodass aktuell lange Lieferzeiten sowohl für vollelektrische Pkw als auch für Plug-in-Hybride bestehen.“ – Prof. Dr. Werner Olle, Direktoriumsmitglied des Chemnitz Automotive Institute CATI.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, das die möglichen Massnahmen erst der Anfang sind. Aber die Individualität müssen wir auf jeden Fall künftig ganz anders denken. Wir werden sehen. Es war immer so: Das Vorführen von Konsequenzen und ans Geld gehen. Es wirkt und wird aufzeigen, dass sinnvolle Massnahmen dadurch gesteuert werden können. Tut wir es jetzt nicht, wird es später um ein vielfaches teurer sein.
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