Elektromobilität wird entweder mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht oder man redet häufig von Ladechaos. Aber stimmt das? Richtig ist: Es hapert hier und da noch – manchmal auch massiv. Das hat aber auch Gründe, die wir mal erklären müssen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass der Anspruch oft mit eigenen Fehlern einher geht. Es muss und es wird sich noch viel verändern. Optimal ist was anderes, aber es war schon schlimmer und es entwickelt sich. Von der Ladekarte, über die Zugangs App bis zu Plug & Charge. Denn auch wir Nutzer können viel dazu beitragen, dass die nächste Ladestation funktioniert.
Schuld ist nicht automatisch der Anbieter
Urlaubszeit ist Reisezeit und immer mehr stehen vor der Herausforderung: Nehmen wir das Elektrofahrzeug? Klar, warum nicht. Dass man einige Dinge beachten sollte, die erste Tour Verunsicherung schafft und die Frage der „richtigen“ Ladekarte aufkommt ist völlig normal. Richtig ist: Es kann mächtig was schief gehen, muss es aber nicht und sogar der eigene Beitrag schafft gute Herausforderungen für andere. Schuld ist nicht immer und automatisch eine Ladesäule oder ein Anbieter, denn auch wir selbst haben öfter Schuld, als die meisten denken. Die technischen Herausforderungen für die Funktionalität einer Ladestation sind nochmal eine andere Sache. Wir bauen viel Ladeinfrastruktur auf und kennen die Fehlerquellen gut. Klar ist: Die Schuldfrage ist immer so eine Sache. Es kann so viel sein – auch wir selbst. Eine pauschale Empfehlung wird niemand geben können. Der Anspruch ist hoch, also macht es Sinn sich das gesamte System mal anzuschauen.
Der eigene hohe Anspruch steht oft über dem eigenen Verhalten
Da ist das Zuparken von Ladestationen, oft sogar ohne eigenen Ladevorgang, die fehlende Sensibilität bei Behörden, wenn um und ausgebaut wird, oder eine Baustelle neben einer Ladestation, die das Anfahren oft unmöglich macht. Außerdem Ordnungsbehörden, die sich immer schwer tun mit den Nöten der Nutzer, oder das Hotel am Zielort, die es duldet, dass ein Verbrenner die Ladestation auf dem Parkplatz zuparkt. Aber auch Nutzer von Infrastruktur, die zerstörerische Gewalt gegen Ladesäulen praktizieren, oder an Schnellladestationen die Kabel auf den Boden legen, immer wieder darüber fahren und die Bildschirme demolieren. Auch das Ausnutzen eines Ladeangebotes sollte man sich ab und zu verkneifen, denn den eigenen Anspruch immer laden zu wollen bedeutet auch, dass ein anderer genauso tickt wie man selbst. Das Ausnutzen scheint salonfähig zu sein – über die Konsequenz macht man sich kaum echte Gedanken.
Egoismus entwickelt sich und es ist schlimm geworden in den letzten Jahren. Als Elektromobilität anfing da kannte man die meisten „Freaks„. Man traf sich, half sich gegenseitig, gab sich Tipps und auch der eine oder andere Händler hat sich gefreut, wenn man zum Laden vorbeikam. Das waren noch Zeiten. Heute, so hören wir das immer wieder, ist es vielen egal. Ich, ich und nochmal ich – aber jammern, wenn was schief geht. Überhaupt geht jammern schneller, als auch mal zu sagen, wenn was großartig war. Eine Selbstverständlichkeit in allem zu sehen greift sicher zu kurz. Das ist normal und genau deshalb muss man vieles oft nicht überbewerten.
Service der nichts kosten darf
Es gibt in allem nichts schön zu reden. Es funktioniert immer wieder mal nicht so, wie manche sich das vorstellen. Dabei sind die Fehlerquellen, auch bei den Anbietern sehr unterschiedlich. Auch das Verständnis für das Handling, bestimmte Services, das Thema Elektromobilität ist nicht überall ausgeprägt. Entscheider, die selbst kein Elektrofahrzeug fahren, damit keinen Alltag haben und nicht verstehen können, wie man gute funktionale Ladeinfrastruktur aufbaut werden immer zu Problemen haben. Das ist normal.
Dazu kommen aber auch hardwarespezifische Probleme. Ein Ladecontroller, der nicht funktioniert, eine Netzwerkverbindung zum Freischalten, die wegen Netzausfall nicht läuft, ein Messzähler der offline gegangen ist und viele weitere Probleme die die Ursache sein können. Oft ruft man schnell „Service“. Was ist das? Das einer springt, wenn der eine ruft?
Gibt es an den Stationen, die wir verbaut haben, irgendein Problem, ist es meistens eine Software Problematik. Software, die von irgendeinem geschrieben wird, zum Einsatz kommt und aus verschiedenen Gründen ganz oder teilweise nicht funktional ist. Das ist normal. Und jeder weiß das auch.
Wir haben beinahe täglich irgendwo im Land einen Ausfall von Systemen, vom Mobilfunk, von DSL und Glasfasternetzen. Das hat Auswirkungen – auch auf die Zuverlässigkeit von öffentlichen Ladestationen, die nur dann funktionieren können, wenn eine zuverlässige Datenübertragung möglich ist. Dem ist bekanntlich nicht so und schon gar nicht sicher gestellt. Übrigens: Zeigt das eigene Smartphone eine Verbindung an, heisst das nicht automatisch, dass die Verbindung einer Ladestation funktioniert.
Kann zunächst ausgeschlossen werden, dass ein Software Problem vorliegt, versuchen wir über die Software herauszufinden wo das Problem liegt. Manchmal gelingt es, aber nicht immer. Also muss ein Techniker raus.
Die Suche nach den Fehlern
Und Techniker sind ja für meisten gemein: Sie arbeiten nicht rund um die Uhr, sind nicht in 5 Minuten an der Problemsäule und man bekommt nicht den Ladevorgang geschenkt, wenn es dann wieder funktioniert. Bitte nicht lachen, denn genau dieser Anspruch kommt tatsächlich vor – und das gar nicht so selten.
Meldet uns das System der verbundenen Ladesäulen einen Defekt, haben wir alle Fehlerquellen ausgeschlossen und vermuten wir ein Hardwareproblem, dann nur kommt es drauf an was vereinbart wurde. In der Regel kein Samstag oder Sonntagseinsatz, schon gar nicht an Feiertagen. Meistens auch nicht nachts und auch nicht sofort. Schlussendlich sind die Kostenfaktoren. Muss man Teile bestellen kann es dauern oder der Betreiber möchte im Moment keine Reparatur – das Budget zur Reparatur ist erschöpft. Aber auch „umgefahrene“ Ladestationen, mutwillig zerstörte Ladepunkte u.ä. dauern, denn hier geht es darum, ob nach polizeilicher Meldung ein Versicherungsfall vorliegt und wie eine Versicherung darauf reagiert. Eine häufige Fehlerquelle bei DC Stationen sind feste Ladekabel die abgeschnitten, geknickt, überfahren werden, oder der Ladestecker, der gebrochen ist. Das geht richtig ins Geld. Bei der durchschnittlichen Nutzung ist das immer ein Zuschussgeschäft für den Betreiber.
Fahrzeuge als Fehlerquelle
Auch Elektrofahrzeuge können eine Fehlerquelle sein. Zum Beispiel die Ladetechnik des Renault ZOE, oder neu: Von VW ID.3 oder ID.4. Das funktioniert nicht immer, kann zum Ausfall führen oder an der Hardware, aus Sicherheitsgründen den FI auslösen. Die Fahrzeug – Hersteller wissen das, aber Hersteller von Ladesäulen und des Backend können mangels Daten nicht immer sofort reagieren. Auch das Laden unter Schieflast, bzw. der Wechsel zwischen ein – und dreiphasigem Laden kann eine Fehlerquelle sein. Je nach verbautem Ladecontroller kann eine Phase in die Knie gehen.
Das Backend, die Software – das Zusammenspiel
Eigentlich sollte es kein Problem sein. Der Ladezugang per RFID Karte oder Lade-App von einem Anbieter schaltet die Ladesäule des Betreibers frei. So weit so gut und es funktioniert tausende Male – jeden Tag. Aber die Frage ist: Warum funktioniert das nicht immer und nicht überall? Ganz einfach: Weil der Betreiber das nicht muss ODER weil unterschiedliche Systeme nicht miteinander kompatibel sind. Hinter dem Konstrukt stecken viele Dinge: Machtkampf, fehlende Kompatibilität der unterschiedlichen Systeme, Kostenstrukturen, aber auch das nicht verstehen der Sache Elektromobilität. Dazu kommt häufig, dass Regularien geändert werden und dieses immer wieder zu Herausforderungen führt, die eine Anpassungen eigener Systeme nötig macht. Beim Roaming gibt es aber häufig auch weitere Fehler. Nämlich die, dass eine Clearingstelle, die Roaming zwischen unterschiedlichen Anbietern verständlich machen soll unterschiedliche Maßstäbe ansetzt. Auch Fehler bei Anbietern, die Zugänge einschränken sind ein Problem. Schlussendlich geht es auch um das liebe Geld und deshalb ist es nicht wirklich und vor allem zeitnah zu ändern. Dazu kam im Frühjahr 2019 das Eichrecht, welches dazu führte, dass die Kompatibilität zunächst eingeschränkt war, denn erst die eigenen Systeme mussten umgestellt und angepasst werden.
Unterschiedliche Preise sind in Ordnung
Immer wieder machen sich zu viele verrückt, weil Anbieter A Summe X, Anbieter B Summe X beim Laden verlangt. Unterschiedlich halt. Es kann sogar sein, dass die Ladesäule für manchen frei ist, andere zahlen müssen, oder das bestimmte Arten von Ladeflats zu geringeren Kosten führt, während bei der Nutzung eines Anbieters sogar eine Grundgebühr anfällt. Das ist völlig normal und auch in Ordnung. Wo ist das Problem? Es ist Marktwirtschaft. Und jeder Anbieter hat unterschiedliche Preise – bei jedem Produkt. Gleiche Preise wird es nicht geben – muss es auch nicht. Preise entstehen nicht nur für den Strompreis an der Börse, so entstehen aus zig Preiskomponenten + Steuern und Co, die gezahlt werden müssen. Auch ein gewisser Service spielt eine Rolle. Es ist völlig legitim, dass man sich Preise am Markt anschaut und austestet. Abzocke ist das nicht immer und nicht pauschal, wie es schnell behauptet wird. Die Ausnahme ist dann mal wieder IONITY, die bis zu einem Euro pro Kilowattstunde Strom verlangen. Auch darüber habe ich mich schon ausgelassen.
Das Handling mit der Ladekarte oder App
Fehlerhaft ist auch immer wieder die Bedienung. Je nach Modell geht das Backend in die Knie, zum Beispiel dann, wenn 10-mal in 30 Sekunden die RFID Karte an den Auslöser gehalten wird und damit das Backend System überfordert. Die Rückmeldung, also die Genehmigung und das Freischalten der Station ist auch unterschiedlich lang. Kennen wir das nicht schon längst aus dem Supermarkt? Ich möchte den Einkauf kontaktlos bezahlen und dann geht es entweder ganz schnell oder dauert gefühlt ewig, bis der Bezahlvorgang abgeschlossen wurde. Einen Einfluss hat man in der Regel nicht.
Ladekarten Kollektion in der Regel nicht nötig
Der Anspruch überall laden zu müssen stresst viele. Aber warum? Weil ich einmal im Leben vielleicht in den Bayrischen Wald fahre, muss ich jetzt einen Ladezugang haben? Warum machen sich so viele so unnötig Stress? EIN zentraler Zugang das den Alltag abdeckt reicht in der Regel aus. Das kann ich sagen, weil mir das reicht. Und ich habe etwa 50 Prozent meiner Ladevorgänge an öffentlichen Stationen, bei rund 80.000 km pro Jahr. Und nicht immer fahre ich Tesla. Zwar gibt es, mal wieder Gerüchte, das Tesla seine Supercharger für andere freigeben könnte, aber ist das realistisch? Kaum so einfach 1:1. Wenn es denn überhaupt kommen sollte, dann sicherlich eingeschränkt, um das Guddi für Tesla Fahrer nicht zu gefährden. Schließlich ist das ein Alleinstellungsmerkmal und wirklich wertvoll.
Übrigens: Der Vergleich, dass man bei TESLA das Fahrzeug nur Anstecken muss, dann das Laden beginnt ist dem geschuldet, dass das Tesla System ein eigenes ist, welches auf andere keine Rücksicht nehmen muss, während andere Anbieter, neben der Hardware auch die Software kompatibel halten muss – mit den ganzen Kostenstrukturen, wie Transaktion – und Roaming-Gebühren. Wirklich vergleichbar ist es demnach nicht.
Der Trend ist klar: Plug & Charge. Das kann aber nur funktionieren, wenn unterschiedliche Systeme der Hersteller kompatibel sind mit unterschiedlichen Softwarestrukturen, die im Hintergrund laufen. Zudem müssen zahlreiche rechtliche Belange berücksichtigt werden. So einfach, wie immer gewünscht, ist es eben nicht.
Feststellbar ist aber: Es ist einfacher geworden. Früher braucht man in der Tat 50 Ladekarten, weil es kaum die Anerkennung gab mit einer Ladekarte an verschiedenen Ladesäulen zu laden. Perfekt ist was anderes aber auch die Erkenntnis, dass es eher unwahrscheinlich sein wird, dass es eine Normalität geben könnte, die jedem gerecht wird. Das Zahlen per Kreditkarte soll eine Lösung sein. Ich glaube es nicht, denn Funktionalität kostet und so werden Banken und Ihre Systeme die Hand aufhalten und das wird teuer werden. Spannend ist die Frage der Kompatibilität der Systeme und welche Regularien zu neuen Problemen führen wird. Ein Hersteller X der eine Software X nutzt wird auch künftig keine Rücksicht auf andere nehmen. Anders ist es bei den Fahrzeugherstellern und den verbauten Ladetechniken. Hier dringend Eile geboten, ähnlich wie wir das vom Mennekes – Typ 2 Stecker kennen. Ein Stecker, der sich etabliert hat und zum Standard wurde. Beim Combo CCS Stecker haben wir heute schon das Problem, dass durch die schweren Kabel die Kontaktfähigkeit und das Verriegeln eine Fehlerquelle beim Aufladen bedeutet. Mal schauen welche Lösung es hier geben wird.
Ladestationen die nicht da sind
Das System hat aber auch grundsätzliche Fehler. Baut ein Unternehmen eine (teil) öffentliche Lösung auf, so muss diese angemeldet werden. In den Systemen füllt man aus, wenn der öffentliche Zugang eingeschränkt ist. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn tagsüber auf einem Mitarbeiter Parkplatz Mitarbeiter stehen, Dienstwagen und private Elektrofahrzeuge während der Arbeit aufladen und das öffentliche Laden, zum Beispiel von Anwohnern einer nahen Wohnstrasse abends, nachts und am Wochenende möglich wäre. Die Einschränkung wäre zum Beispiel 12/7 – das heißt: 12 Stunden von 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens darf jeder dort aufladen. Sehr praktisch für die Bewohner in der Nähe und zu einer Auslastung führt das auch. Aber, die Meldung kann nicht verfeinert werden und so kann es sein, dass eine Anbieter App Ladestationen ausweist, die aber tagsüber nicht öffentlich nutzbar sind. Ärgerlich. Die Daten kommen von der Clearingstelle. Und ein Anbieter müsste sich eigentlich auf die Daten verlassen können.
Zuletzt erlebten wir das bei einem unserer Kunden aus Soest. Ladesäulen, frei gekennzeichnet sind zu der Zeit nicht nutzbar, weil tagsüber zu wenig Platz auf dem Hof ist und nur eigene Fahrzeuge und Fahrzeuge von Mitarbeitern parken dürfen. Frustrierend wenn einer dort hinfährt, dann aber nicht laden kann, obwohl die Lade-App eines Anbieters das ausweist. Sauer ist man dann pauschal sicher auf das Unternehmen, aber auch seines Betreibers, weil man nicht weiß, dass sowohl der eine als auch der andere keinen Fehler gemacht haben. Es bleibt also spannend, wie sich die Datenqualität verändert und hoffentlich verbessert. Auch viele Bordcomputer von Fahrzeugen zeigen zugängliche Ladestationen an – leider oft mit falschen Adressdaten. Auch unklare Informationen über den Status sind bekannt.
Was kann man tun?
Ehrlichweise: nichts. Dinge regeln sich – hoffentlich oder vielleicht. In der Regel rennt man keine Türen auf oder man findet kaum einen Ansprechpartner. Behörden sind ohnehin sehr schwerfällig und die Lobby will natürlich auch noch was zu sagen haben. Ich würde eher sagen: Das ist hübsch machen für den Markt – für einen Milliardenmarkt. Aber noch ist das Thema klein und nimmer noch nicht in der Mitte angekommen. leider, so fürchte ich, müssen wir noch eine Weile damit leben, dass Journalisten das Laden nicht können, scheitern und dann das System Elektromobilität in eine Ecke stellen, wo es nicht hingehört. Leider, so glaube ich auch bei der entscheidenden Politik wird man das Thema nicht mit dem notwendigen Ernst und der Sachkunde betrachten, wie es nötig wäre und leider werden auch viele von den Nutzern die eigenen Fehler bei anderen abladen – unabhängig davon wer denn an was auch immer gerade schuld ist oder auch nicht.
Tipp: Nutzen Sie für den Alltag EINEN Anbieter. Sie kennen den Preis, dass das Laden kostet, sie kennen die Stationen die nutzbar sind. Das reicht häufig aus. Hat man die ersten Erfahrungen mit dem Laden gehst du einfacher damit um und man fühlt sich sicherer. Das sage ich nicht nur – ich weiß es. In den letzten 3 Jahren hatte ich keine Probleme – das kann kein Zufall sein bei zig Ladevorgängen in zig Ländern.
So oder so: Zurück zum Verbrenner: Nein Danke. Es wird besser, es wird aufregender – wir stecken mitten drin in einer gewaltigen Mobilitätswende.