Mobilität: Ist das Elektroauto mal wieder schuld am Systemversagen?


Bild: emobicon®

2020 wurden bekanntlich deutlich mehr Elektrofahrzeuge neu zugelassen als im Vorjahr, teilte das zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Anfang Januar 2021 mit. Und Elektroautos boomen. Ganz klar: Gestützt und unterstützt durch zahlreiche Fördertöpfe. Der Anteil der Elektroautos an allen Neuzulassungen stieg mit rund 194.000 Stück auf 6,7 Prozent. Das entspricht einem Wachstum von über  200 Prozent innerhalb eines Jahres. Das wissen auch die Hersteller und Autohändler. Das Problem: Sie kriegen es nicht wirklich auf die Reihe. Händler und Leasingfirmen fürchten sogar, dass der Wert der Elektroautos dadurch künstlich erhöht wird. Wirklich? Hat man nicht mit der milliardenschweren künstlichen Subvention auf umweltschädlichen Diesel den selben Effekt gehabt? Das Problem ist hausgemacht.

Der Antrieb verändert die Herstellung und den Vertrieb

Die Entscheidung für eine Wende war lange entschieden, da haben Hersteller und Händler darüber gelächelt. Keiner nahm die veränderte Situation ernst. Es war zu bequem. Sie waren satt. Der Rubel rollte, der Diesel war auf seinem Höhepunkt. Dann kam der Abgasskandal. Damit kam die Wende. Die ersten Elektrofahrzeuge kamen – meistens umgebaute Verbrenner. Keine Innovation und man merkte: Ich will das nicht. Die Händler taten sich noch schwerer. Tests von emobicon und vielen anderen hatten bewiesen: Wir haben keine Ahnung und die meisten wollten diese auch nicht haben. Die Herstellung, der Vertrieb – alles verändert sich. Deutlich. Nach und nach wurden staatliche Prämien ausgelobt, im letzten Jahr noch einmal verdoppelt. Das Ziel: Die Mobilität soll weg vom fossilen Verbrenner. Die notwendige Ladeinfrastruktur wird gepuscht, Gesetze und Verordnungen kamen dazu. Der Bedarf steigt. Deutlich. So sind zahlreiche Hersteller gezwungen Produktionen umzustellen und auf alternative Antriebe zu setzen.

Fehler im System

2021 soll das Jahr des Elektrofahrzeuges werden. Praktisch in jeder Fahrzeugklasse wird man Vollstromer erhalten können. Noch haben zwar Plug in Hybride grossen Zuspruch. Dieser ist aber teuer erkauft durch viel Marketing und oft schlechten Verbrauchswerten. Der Hybrid wurde längst entzaubert. Das Problem geht aber weiter, denn Händler und Leasingfirmen haben ein Problem. Immer weniger wollen Verbrenner kaufen und die Restwerte der Elektrofahrzeuge deckt in Teilen nicht mal ansatzweise die Kosten. Ganz klar: Viele haben sich verkalkuliert. Dabei liegt der Fehler im System des Vertriebs. Mit der Verdoppelung der Kaufprämie meinte man besonders schlau zu sein: Ich vermarkte ein Elektrofahrzeug zum Preis von einem Euro. Schlecht. Denn anschliessend wurden die Förderbedingungen angepasst. Mindestlaufzeit zwei Jahre, um den vollen Anspruch der Förderung zu erhalten.

Händler haben eine Mitschuld

Für Händler und Leasinggeber wird die Prämie für Elektrofahrzeuge zunehmend zum Problem. Leasingunternehmen könnte der künstlich erzeugte Boom teuer zu stehen kommen. Aus unserer Sicht sind sie mit Schuld. Das hausgemachte Desaster wird eher schlimmer, statt besser, denn in den nächsten Jahren wird eine Masse an Plug in Modellen zurück kommen. Vermarkten lassen werden sich diese aber schlecht. Auch, weil die reinen Stromer immer attraktiver werden und das Ladenetz deutlich an Komfort zunimmt. Anbieter “Vehiculum” sagte dem “Handelsblatt”: „Grundsätzlich muss man sagen, wenn es keine Veränderung gibt, was die Bepreisung angeht, dann wird das ganze System kollabieren“. Gleichzeitig freue man sich, dass man in 2020 mehrere tausend Leasingverträge mit Elektrofahrzeugen gemacht hatte. Und der Staat soll das jetzt ausgleichen, weil das Unternehmen sich offensichtlich verkalkuliert hat? Klar war schon lange, dass mit der Entwicklung der Elektromobilität, sinkenden Preisen bei Akkus und der immer grösseren Auswahl der Fahrzeuge der Gebrauchtwagenmarkt mit Stromern ein Problem bekommen würde. Die Spielregeln sagen nun einmal deutlich: Prämie für Gebrauchte gibt es nur, wenn sie z.B. nicht schon einmal gefördert wurden. Nimmt man die Prämie für Neuwagen + diverse Kumulierungen, dann ist ein Vollstromer häufig günstiger, als ein Gebrauchter.

Preisanpassungen unumgänglich

Die Prämie drückt die Preise. Bis zu 50 Prozent Rabatt sind möglich. Das macht sich natürlich auch im Preis, aber auch im Restwert eines Modells bemerkbar. Es ist gut, denn dadurch wird der Preisunterschied, den Vollstromer oft gegenüber Verbrennern haben, geschmälert. Ausstattungsbereinigt und im laufenden Betrieb sind die meisten Elektrofahrzeuge heute nicht mehr teurer als Verbrenner. Plug in Modelle haben hier ein grösseres Problem. Es bleibt: Die Suche nach einer Strategie zur Vermarktung der Rückläufer. Einige Hersteller hatten im vergangenen Jahr Ihre Restwerte geändert. Es kam zur Preisbereinigung und Anhebung der Leasingwerte.

Geringere Reichweite bei gebrauchten Stromern ist ein Problem

So kommt es, dass beim Rückläufer von Elektrofahrzeugen der Restwert nicht mehr passt. Und da allgemein bekannt ist, dass man auch für Gebrauchtfahrzeuge Förderungen erhalten könnte schauen Interessenten natürlich auch auf diese Möglichkeit. Jedem dürfte mittlerweile klar sein, wie sich diese Struktur verändert. Verständlich, wenn Händler Angst haben.

Das Problem ist aber noch mal ein wenig unterschiedlicher, als beim Verbrenner. Denn die Akkutechnik und die Ausstattung, die Reichweiten “älterer” gebrauchter Fahrzeuge schmälern den Restwert noch einmal deutlich. Das Hauptproblem ist bekannt: Plug in Modelle. Sie werden weder im eigenen Land noch im Ausland zu vermarkten sein.


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Der Staat ist nicht für das Risiko verantwortlich

Reizt man alle Förderungen aus, dann sind oft mehere Töpfe kumulierbar. Damit erreicht man bis zu 67 Prozent Förderung der Fahrzeugkosten. Jedenfalls bei uns. Berücksichtigt werden muss hier aber der Einzelfall durch die Individualisierung der Förderbedingungen.

Die Annahme eines Anbieters vom Staat einzufordern Förderungen zu verändern, statt die eigene Kalkulation anzupassen, erschliesst sich hier aber nicht wirklich. Es war schon immer so, dass Händler das finanzielle Risiko der Weitervermarktung tragen. Ändert man selbst nichts wird das ein Risiko. Die einen, die mit “Schnäppchen” Ihre eigene Marge zerstören. Die anderen, die cool bleiben und damit eine Basis haben auch noch weiter zu leben.

Förderungen nutzen

Echte Schnäppchen für Kunden gibt es immer – aber Vorsicht: Lesen Sie genau die Bedingungen, denn bekanntlich haben Schnäppchen dann und wann auch mal einen Haken. Und vor allem nutzen Sie die Förderungen. Diese kann es aber nicht umsonst geben. Denn die richtige Mischung zu finden ist viel (händische) Arbeit.

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