Revolutionäre Wende: Wie bidirektionales Laden Elektroautos günstiger macht

Deutschland steht an einem Wendepunkt der Energiewende. Während andere Nationen mit Innovationen voranschreiten, scheint Deutschland bei der Umsetzung des bidirektionalen Ladens von Elektrofahrzeugen (EVs) zu zögern. Dabei könnte diese Technologie nicht nur die Stromnetze stabilisieren, sondern auch den Weg für das lang ersehnte 25.000-Euro-Elektroauto ebnen.

Bidirektionales Laden: Mehr als nur ein Trend

Seit 2011 nutzen japanische Elektrofahrzeuge das bidirektionale Laden, um im Katastrophenfall als Notstromquelle zu dienen. Heute können zahlreiche Modelle, unter anderem von Renault, Volkswagen und Hyundai, nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder abgeben. Ab 2027 soll diese Funktion zum Standard gehören. Die Bundesregierung hat das Potenzial dieser Technologie erkannt und im Koalitionsvertrag 2021 verankert. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung fehlen jedoch.

Das ungenutzte Potenzial von Elektrofahrzeugen

Mit einem Anteil von fast 60 Prozent stammt der Strom in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Die schwankende Stromproduktion aus Wind und Sonne bringt jedoch Herausforderungen mit sich, die durch Batteriespeicher, insbesondere in Elektrofahrzeugen, ausgeglichen werden könnten. Elektroautos stehen durchschnittlich 23 Stunden am Tag ungenutzt und bieten daher ein enormes Potenzial als flexible Energiespeicher.

Derzeit verfügen die 30 deutschen Pumpspeicherkraftwerke über eine Kapazität von 40 Gigawattstunden (GWh). Im Vergleich dazu bieten die derzeit 2,5 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland eine Gesamtkapazität von 100 GWh. Bei einer durchschnittlichen täglichen Ladezeit von 15 Stunden könnten Besitzer von bidirektional ladenden Elektroautos zwischen 1.200 und 1.500 Euro pro Jahr verdienen, wovon nach Abzug aller Kosten mindestens die Hälfte übrig bleibt. Diese Einnahmen resultieren aus Dienstleistungen wie dem Redispatch im Stromnetz, der allein im Jahr 2023 Kosten von 600 Millionen Euro verursachen wird.

Kostenersparnis durch bidirektionales Laden: Ein detaillierter Blick

Geld sparen durch bidirektionales Laden

Die Einführung des bidirektionalen Ladens bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch erhebliche finanzielle Einsparungen für Besitzer von Elektrofahrzeugen. Durch die Integration der Fahrzeugbatterien in das Stromnetz können Nutzer aktiv am Energiemarkt teilnehmen und von verschiedenen Vergütungsmodellen profitieren.

Ein zentrales Element ist dabei die Teilnahme am sogenannten Redispatch-Verfahren. Dieses dient dazu, Netzengpässe zu vermeiden, indem überschüssige Energie aus dezentralen Quellen wie Elektrofahrzeugen ins Netz eingespeist wird. Für diese Dienstleistung erhalten die Fahrzeugbesitzer eine Vergütung, die je nach Marktbedingungen variiert. Schätzungen gehen von jährlichen Einnahmen zwischen 1.200 und 1.500 Euro aus, wobei nach Abzug aller Kosten mindestens die Hälfte als Reingewinn verbleibt.

Zusätzlich profitieren die Nutzer von den Regelungen des §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Ab 2024 erhalten schaltbare Lasten, zu denen auch Ladestationen für Elektroautos zählen, eine jährliche Vergütung von rund 160 Euro vom Verteilnetzbetreiber, wenn sie zu Spitzenlastzeiten abgeschaltet werden können. Diese Maßnahme dient der Netzstabilität und honoriert die Flexibilität der Verbraucher.

Rechnet man die Einnahmen aus dem Redispatch-Verfahren mit den Vergütungen nach §14a EnWG zusammen, können Elektroautobesitzer jährlich bis zu 800 Euro sparen. Diese Summe entspricht in etwa den Stromkosten für eine jährliche Fahrleistung von 15.000 Kilometern mit einem Elektrofahrzeug. Durch die aktive Teilnahme am Energiemarkt und die Bereitstellung von Flexibilität trägt der Nutzer nicht nur zur Stabilisierung des Stromnetzes bei, sondern senkt auch seine eigenen Betriebskosten erheblich.

Allerdings ist zu beachten, dass die tatsächlichen Einsparungen von individuellen Faktoren wie Fahrverhalten, Ladegewohnheiten und regionalen Strompreisen abhängen. Dennoch zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll, welches finanzielle Potenzial in der Kombination von Elektromobilität und intelligenter Energienutzung steckt.


Regulatorische Hürden und politische Untätigkeit

Trotz der erkannten Vorteile des bidirektionalen Ladens und der formulierten gesetzlichen Anpassungen gibt es zwei wesentliche Voraussetzungen für die Umsetzung:

  1. Abschaffung der doppelten Netzentgelte: Während stationäre Großbatterien bis 2028 von den doppelten Netzentgelten befreit sind, gilt dies nicht für mobile und Heimspeicher. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zögert jedoch aus Angst vor einer EU-Beihilfeprüfung, diese Regelung auszuweiten.
  2. Einsatz von Smart Metern: Für eine 15-Minuten-Abrechnung sind Smart Meter unerlässlich. Obwohl die Hardware bereitsteht, stecken die Abrechnungssoftware und die Rollout-Planung bei den Netzbetreibern noch in den Kinderschuhen. Frankreich hat zeitgleich begonnen und inzwischen fast 100 Prozent der Haushalte ausgestattet – zu einem Viertel der deutschen Kosten.

Statt Smart Meter für an der Energiewende interessierte Verbraucher verpflichtend zu machen, schwächt die EnWG-Novelle 2023 diese Verpflichtung ab. Netzbetreiber können den Einbau verweigern, wenn die verpflichtende Rollout-Quote gefährdet ist, was im schlimmsten Fall Verzögerungen bis 2032 bedeutet.

Ein Blick über die Grenzen: Frankreich als Vorbild

Wie es besser geht, zeigt Frankreich. Durch konsequente Umsetzung und geringe Kosten hat unser Nachbarland nahezu alle Haushalte mit Smart Metern ausgestattet. Dies ermöglicht nicht nur eine effizientere Energienutzung, sondern auch die Integration von bidirektionalem Laden in den Alltag der Verbraucher.

Synergie von bidirektionalem Laden und intelligentem Energiemanagement: Ein Schritt in die Zukunft.

Die Kombination von bidirektionalem Laden und intelligentem Energiemanagement eröffnet neue Möglichkeiten für eine effiziente und nachhaltige Energieversorgung. Durch die Integration von Elektrofahrzeugen als mobile Energiespeicher in ein intelligentes Home Energy Management System (HEMS) können Haushalte ihren Eigenverbrauch optimieren und gleichzeitig zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.

Ein Beispiel für ein solches System ist der Energiemanager Enbas von Energielenker. Dieses HEMS ermöglicht die Steuerung und Vernetzung von Ladestationen, Stromzählern, Batteriespeichern, Wechselrichtern und Wärmepumpen. Durch die Berücksichtigung von Wetter- und Strompreisprognosen kann der Eigenverbrauch maximiert und die Energiekosten gesenkt werden. Darüber hinaus unterstützt Enbas die Kommunikation nach § 14a EnWG, die eine netzdienliche Steuerung ermöglicht.

Die Integration von bidirektionalem Laden in ein solches Energiemanagementsystem bietet mehrere Vorteile:

  • Optimierung des Eigenverbrauchs: Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energiequellen, z.B. einer Photovoltaikanlage, kann in der Fahrzeugbatterie gespeichert und bei Bedarf wieder ins Hausnetz eingespeist werden.
  • Netzdienliche Steuerung: Durch die Bereitstellung von Flexibilität kann das Stromnetz entlastet und die Integration erneuerbarer Energien gefördert werden.
  • Kosteneinsparungen: Die Nutzung von selbst erzeugtem Strom reduziert die Abhängigkeit von externen Stromlieferanten und senkt die Energiekosten.

Die Kombination von bidirektionalem Laden und intelligentem Energiemanagement ist somit ein entscheidender Schritt in eine nachhaltige und effiziente Energiezukunft.


Bidirektionales Laden: Potenziale für Unternehmen und Industrie

Unternehmen können in vielerlei Hinsicht vom bidirektionalen Laden profitieren, insbesondere durch die Integration in ihre Energiemanagementstrategien. Firmenflotten mit Elektrofahrzeugen bieten ein enormes Potenzial als mobile Energiespeicher. Diese Fahrzeuge stehen während der typischen Arbeitszeiten oft über längere Zeiträume ungenutzt auf dem Betriebsgelände oder in Parkhäusern. Durch bidirektionales Laden können sie nicht nur aufgeladen werden, sondern überschüssige Energie auch wieder in das Netz oder das unternehmenseigene Energiesystem einspeisen.

Ein konkretes Beispiel sind Spitzenlastzeiten, in denen die Energiekosten aufgrund hoher Netzauslastung besonders hoch sind. Unternehmen könnten in solchen Zeiten die Energie aus den Fahrzeugbatterien nutzen, um die eigenen Lastspitzen zu glätten und damit erhebliche Kosteneinsparungen erzielen. Gleichzeitig könnten sie durch die Teilnahme an Redispatch-Maßnahmen Einnahmen generieren, indem sie überschüssigen Strom gezielt an den Netzbetreiber verkaufen. Damit wird nicht nur die Netzstabilität erhöht, sondern auch eine neue Einnahmequelle erschlossen.

Darüber hinaus bietet die Kombination von bidirektionalem Laden mit intelligentem Gebäudemanagement zusätzlichen Nutzen. In Firmengebäuden mit regenerativen Energiequellen wie Solaranlagen kann der tagsüber erzeugte Strom in den Fahrzeugbatterien gespeichert und später für den Betrieb der Büros oder Produktionsstätten genutzt werden. Besonders attraktiv ist dies für Unternehmen mit dynamischen Stromtarifen, die durch optimierte Lade- und Entladevorgänge ihre Energiekosten weiter senken können.

Ein weiterer Vorteil ist die Erhöhung der Versorgungssicherheit. Unternehmen könnten bei Stromausfällen auf die in den Fahrzeugen gespeicherte Energie zurückgreifen, um kritische Prozesse aufrechtzuerhalten. In energieintensiven Branchen oder für Unternehmen mit kritischer Infrastruktur wie Rechenzentren kann dies von entscheidender Bedeutung sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bidirektionales Laden Unternehmen nicht nur die Möglichkeit bietet, ihre Energiekosten zu optimieren, sondern auch nachhaltig und wirtschaftlich effizient zu handeln. Die Technologie hilft, Flexibilität in den Energieverbrauch zu bringen und trägt gleichzeitig zur Erreichung von Klimazielen bei. Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen in Firmenflotten ist bidirektionales Laden eine Schlüsseltechnologie für die Energiezukunft der Wirtschaft.


Fazit: Handlungsbedarf für Deutschland

Deutschland hat das Potenzial, bei Elektromobilität und Energiewende eine weltweit führende Rolle einzunehmen und gleichzeitig bezahlbare, umweltfreundliche Mobilität und Energie für die Bürger bereitzustellen. Besitzstandswahrung und Vermeidung von Anstrengungen führen jedoch zu höheren Kosten, entgangenen Innovationsgewinnen und Vertrauensverlust. Ein emissionsfreies und bezahlbares Elektroauto könnte schon heute Realität sein, wenn mobile Speicher bei den Netzentgelten gleichgestellt und Smart Meter für alle, die sich an der Energiewende beteiligen wollen, verpflichtend eingeführt würden. Die EU fordert dies über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) bis 2025 ohnehin – eine No-Regret-Maßnahme, die sich für „Fortschritt wagen“ lohnen würde. Warum also warten?

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