Der Herbst 2015 ist lange her und viele interessiert dieses Thema nicht mehr: Der Abgasskandal. Aber der Kampf für Wahrheit und Aufklärung ging trotzdem weiter. Und natürlich sind noch so viele Fragen offen, Prozesse liefen oder laufen noch oder wurden verschoben. Derweilen haben Ermittler in der Dieselaffäre bei Volkswagen erneut mehr als 1.500 Seiten mit Vorwürfen an das Landgericht Braunschweig geschickt. Angeschuldigt sind demnach weitere 15 Führungskräfte des VW-Konzerns und eines Zulieferbetriebes, wie Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe der dpa sagte. Ihnen wird Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Steuerhinterziehung, Beihilfe zu mittelbarer Falschbeurkundung und strafbare Werbung vorgeworfen. Namen nannte die Staatsanwaltschaft zunächst nicht. Damit sind nun 34 Personen in den Untersuchungen wegen überhöhten Ausstoßes von Stickoxid (NOx) bei VW-Fahrzeugen beschuldigt. Und Ex- VW-Vorstand Winterkorn, Angeklagter in einem weiteren Prozess, wird mit Forderungen in Milliardenhöhe konfrontiert. Der Volkswagen-Konzern fordert von ihm Schadensersatz. Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR verlangt der Autohersteller das Geld und begründet wird dies damit, dass VW Kosten in dieser Höhe hätte sparen können, wäre Winterkorn früher tätig geworden.
Aber was ist mit der Politik, dem VDA, dem Hinnehmen und dem Aussitzen? Und welche Rolle haben Ministerien, Behörden und Minister? Klar ist längst, dass die Politik viel tiefer in diesem Sachverhalt steckt, als sie stets behauptet hat. CSU-Verkehrsminister hielten immer die Hand über das zuständige Kraftfahrbundesamt und natürlich wollte man mit alledem nichts zu tun haben. Es gab viele Widersprüche und immer wieder Behinderungen von Behörden und Institutionen, die sich bis heute um Aufklärung bemühten. Nach zähem Kampf durch mehrere Gerichtsinstanzen konnte die Deutsche Umwelthilfe nun die fast ungeschwärzte Version der Akten erhalten. Akten, die es in sich haben und neue Fragen aufwerfen. Hunderte Seiten, die bestätigen: Es wird gelogen, getrickst und die Hersteller können scheinbar tun, was sie wollen. Es ist noch lange nicht vorbei…
Der Filz ist endlich öffentlich und nicht mehr zu ignorieren
Der Widerstand war groß, die Ausreden noch grösser und der Wille zur Aufklärung, trotz laufender Behauptungen wurde und wird weiter massiv politisch verhindert. Aber nach mehr als fünfjährigem Widerstand von Bundesregierung und den Autokonzernen und insgesamt zwölf Rechtsverfahren konnte die Deutsche Umwelthilfe endlich die Dieselgate-Akten aus dem Herbst 2015 weitgehend ungeschwärzt veröffentlichen. Auch das ZDF und das Magazin „Frontal 21“ klagten erfolgreich.
Was erwartet wurde, wurde zur Gewissheit, denn die Akten aus dem Kraftfahrtbundesamt und dem Bundesverkehrsministerium zeigen eine erschreckend enge Kumpanei von Politik, Behörden und den betrügerischen Automobilkonzernen zu Lasten der Umwelt und Millionen betroffener Diesel-Eigner.
Wenn man hunderte Seiten der Akten liest finden sich leicht Hinweise auf die weitere behördliche Zulassung von Diesel-Pkw mit illegaler Abschalteinrichtung der VW-Motorenfamilie EA 288 auch nach dem Herbst 2015. Und das, obwohl das zuständige KBA und das BVMi stets behaupteten, dass das nicht passiert wäre. Zusätzlich hat die Deutsche Umwelthilfe weitere, ihr anonym zugespielte Freigabebescheide des Kraftfahrtbundesamtes mit konkreten Messergebnissen zu VW, Skoda und Audi Modellen veröffentlicht. Hier ergeben sich ganz klar Hinweise darauf, dass noch nach Oktober 2015 Fahrzeuge zugelassen wurden, mit den schon im Oktober bekannt gewordenen Abschalteinrichtungen. Rechtsanwalt Klinger von der Umwelthilfe sagte dazu, dass man die möglicherweise strafrechtlichen Fakten an die zuständige Staatsanwaltschaft nach Braunschweig weitergeleitet hat. Denn im Verfahren gegen frühere Mitarbeiter von Volkswagen könnte das strafrechtlich relevant sein.
Abstimmungen bei den Lügen zwischen VW und Ministerium
Wenn es noch Belege brauchte, jetzt sind sie da. Demnach sind frühe Falschaussagen des Verkehrsministeriums zur angeblichen Nicht-Kenntnis von Abschalteinrichtungen ersichtlich. Und als diese Lügen auch wegen der Veröffentlichungen und Messungen der DUH ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr zu leugnen waren, stimmte das CSU-Ministerium seine öffentlichen Äußerungen am 13.10.2015 mit Volkswagen ab und bat vorab sogar um Zustimmung. So wurde dann aus einer ‚unzulässigen‘ eine ‚beanstandete‘ Abschalteinrichtung. Unglaublich. Und das, obwohl dem Ministerium wie dem Kraftfahrtbundesamt die Illegalität der Abschalteinrichtungen in Millionen Diesel-Pkw bekannt gewesen ist. Doch zum Schutz des Autobauers vermieden sie es, das auch klar zu benennen. Und damit erschwerten sie es den geschädigten Pkw-Besitzern über Jahre hinweg, ihre Rechte durchzusetzen. Unfassbar. Ist das ehrliche Politik?
Der verzweifelte Kampf die Wahrheit zu verhindern
Volkswagen hatte seit Herbst 2020 mit mehreren Gerichtsverfahren zunehmend verzweifelt versucht, die Einsichtnahme in die für sie brisanten EA-288-Unterlagen zu verhindern. Es bedurfte erst eines Vollstreckungsverfahrens und der Androhung des höchstmöglichen Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro gegen das Kraftfahrtbundesamt, damit nun die Umwelthilfe die Akte weitgehend ungeschwärzt ausgehändigt bekam, inklusive der Unterlagen zum Motor EA 288. Die Akten des Kraftfahrtbundesamtes zum Motorentyp EA 189 wurden nach einem erfolgreichen Rechtsstreit vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht Schleswig im Herbst 2020 bereits teilweise zur Einsichtnahme offengelegt.
Das KBA genehmigte neuen Motorentyp ohne Überprüfung
Besonders brisant ist es laut DUH auch in einem weiteren Fall, denn in der KBA-Akte befindet sich ein für Volkswagen unangenehmes Schreiben der Anwaltskanzlei „Freshfields“, in dem anhand eines beigefügten Schreibens der FEV, einem Entwicklungsdienstleister für die Autoindustrie, dargelegt wird, dass beim Motor EA 288 zwei unterschiedliche Regenerationsstrategien auf dem Prüfstand und im Felde zugegeben werden. Aber wo ist das angeführte Gutachten in den Akten? Es fehlt, obwohl es für die darauffolgenden Tage angekündigt war.
Deutlicher kann man es nicht darlegen, denn demnach zeigen die Akten, wie die durch VW finanzierten rechtlichen und technischen Darlegungen des Sachverhalts vom Kraftfahrt-Bundesamt hingenommen wurden, ohne selbst eine Prüfung des Motorentyps EA 288 überhaupt in Erwägung zu ziehen.
Trotz aller Beteuerungen aus Politik und Kraftfahrtbundesamt, dass man an echter Aufklärung interessiert sei, erkennt man erneute nur blinde Gefolgschaft. Und das auch nur, weil der Automobil-Konzern beteuert, dass sich die Wirksamkeit des Emssionsminderungssystems unter normalen Fahrbedingungen nicht verringert. Darüber erfuhr die Öffentlichkeit nichts. Wer kontrolliert wen und welche Rolle spielen Autokonzerne, Kraftfahrtbundesamt und der Verband der Automobilindustrie? Die Lobbybehörde KBA hat diese Aussagen stets zurückgewiesen und behauptet, dass die Abgasrückführung nicht Teil der Abgasreinigungsanlage ist. Trotzdem haben VW und Freshfields dies immer wieder in Gerichtsverfahren vorgetragen. Widersprüche, die kaum ein Laie versteht.
Zurückgerufene Modelle erhielten Freigaben durch das KBA
Und es geht noch weiter: So konnte die DUH Einblicke in zusätzliche Unterlagen nehmen, die ihr anonym zugespielt wurden. Demnach belegen Unterlagen, adressiert an die Hersteller VW, Seat und Audi, die formalen Freigaben des Kraftfahrtbundesamtes zu diversen Modellen, die zunächst durch das KBA zurückgerufen worden waren. In dem Schreiben wird den Herstellern bestätigt, dass nach der Umsetzung der im Rückruf durch das KBA auferlegten Maßnahmen an den Fahrzeugen nun keine illegalen Abschalteinrichtungen mehr enthalten seien und damit die Rechtskonformität der Fahrzeuge wiederhergestellt sei. Aber ein prüfender Blick in die ebenfalls anonym übermittelten TÜV-Messprotokolle zu den Fahrzeugen lässt daran jedoch deutliche Zweifel aufkommen. Und diese Modelle fahren bis heute auf unseren Straßen. Eine echte unabhängige Behörde scheint es nicht mehr zu geben – bis heute nicht.
Ein Beispiel für den Filz zwischen Industrie und Politik
Einige Fakten, die manches aufzeigen: Die Verfilzung von Politik, Behörden und Unternehmen in einem Land, das Moral, Recht und Rechtsstaatlichkeit immer sehr laut propagiert. Minister in Ministerien, die offensichtlich bewusst lügen und Behörden, die wegsehen (müssen) aber kaum Konsequenzen fürchten müssen.
Es passt zu den jüngsten Tatsachen, dass sich Abgeordnete in Maskendeals bereicherten und die Politik hingenommen hat, dass das passiert, in dem sie bis heute zulässt, dass sowas passieren kann. Es dürfte nur ein Beispiel von vielen sein.
Klar ist schon länger, dass Parteienspenden der (Auto-) Industrie auch dazu führen, dass man offensichtlich trickreich erreichte, dass Plug-In Modelle einen angeblichen Beitrag zum Klimaschutz haben. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Der Verbrauch deutlich zu hoch, der Anreiz falsch in dem man wieder Fahrzeuge fördert und mit Vorteilen ausstattet, die sie meistens nicht verdienen. Die Angaben zum Verbrauch, zum CO2-Ausstoß sind nur Theorie, kaum erreichbar und bekannt sein dürfte es längst, dass diese Modelle meistens Mogelpackungen sind. Die Hersteller haben diese Technologie längst entzaubert.
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Dokumente der DUH