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Ein Beitrag lässt aufhorchen „Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen“. Autor Stefan Hajek zeigt in der „Wirtschaftswoche“ deutlich auf, woran es hapert. Und das scheint eine Menge zu sein. Das Thema ist so relevant und aktuell, dass wir deutlich bestätigen können, dass es sich praktisch wie ein roter Faden durch fast alle Marken und noch mehr Händler zieht: Das mangelnde Interesse Elektrofahrzeuge zu verkaufen. Auch bei wiederholten Tests von emobicon wurde auch bei uns immer wieder bewiesen, dass mangelnde Informationen, Vorurteile und Desinteresse den Verkauf behindern und verhindern können. Hersteller behaupten zwar, dass Händler „ausreichend geschult“ seien, aber offensichtlich reicht das nicht aus. Händler werden nur unzureichend von den Herstellern mitgenommen.
CO2-Flottenziele als Maßgabe
Alle Händler, auch Volkswagen, könnten mehr Elektrofahrzeuge verkaufen. Es fehlt an Akkus, dem echten Willen und dem echten Interesse. Vieles, so erscheint es uns, sind Marketingaussagen. Es klingt gut und scheint nach außen gut zu wirken. Schaut man sich die Realität an, ist diese eine völlig andere. So unsere Interpretation. Dabei könnte VW, behauptet auch Greenpeace, viel mehr Elektroautos verkaufen, wenn sie es wollten. Ja, der Verkaufsstart des ID.3 im Sommer wurde durch die Softwareprobleme gebremst. Man hatte es sich anders gewünscht. Doch auch Greenpeace sagt, der tiefere Grund für die schwachen ID.3-Verkäufe sei ein anderer: die CO2-Flottenziele der EU. Wie viele Hersteller wolle man die Vorgaben gerade so erfüllen, nicht aber unterschreiten. Denn auch wir können nach zahlreichen Gesprächen bestätigen: Es geht um viel Geld, welches mit Verbrennern, nicht aber mit Elektrofahrzeugen verdient wird.
Man könnte mehr tun, wenn man wollte
Für 2020 liegt der durchschnittliche Flottengrenzwert aller Hersteller für in der EU verkaufte Neuwagen bei 95 Gramm CO2 je Kilometer. Je nach Gewicht ihrer Modelle ist der individuelle EU-Grenzwert für einige Hersteller höher, für andere niedriger. So darf Volkswagen 2020 im Schnitt konkret 97 Gramm CO2 je km und verkauftem Auto ausstoßen. Strafzahlungen der EU werden fällig, wenn der Zielwert verfehlt wird. Bis 2019 hat die EU noch ein Auge zugedrückt, jetzt wird es aber teuer: 95 Euro pro Gramm je km und verkauftem Auto.
Eine Punktlandung bei den Flottenzielen sei „nicht realistisch planbar“ so Volkswagen. Ausgebremst aus dem eigenen Haus nimmt man nun 35 Milliarden Euro in die Hand für Entwicklung und Produktionsumstellung von Elektrofahrzeugen. Auf der anderen Seite sieht man: Viele Bestellungen werden meist ohne Vorab-Informationen auf 2021 verschoben – so auch beim VW e-up. Warum wohl?
Handeln nach Vorgabe – nicht darüber hinaus
So weiß man, dass Volkswagen nach Branchen-Schätzungen derzeit bei 102 Gramm liegen dürfte, aber durch mehr Plugin-Hybride, die mit 50 Gramm CO2 je km angerechnet werden, bis Ende Jahr noch auf 98 Gramm kommen wird. Das deckt sich zuletzt auch mit Meldungen von VW und einer „leichten Verfehlung der Zielwerte“. Mit rund 250 Millionen Euro Strafe kommt man demnach noch glimpflich davon. Dennoch, so glauben Branchenbeobachter, wolle VW nicht mehr Elektroautos verkaufen als jetzt unbedingt nötig. Denn mit Verbrennern lasse sich noch immer mehr Geld verdienen als mit reinen Elektroautos. Schuld sollen u.a. die derzeit noch höheren Produktions- und Rohstoffkosten für die Akkus sein.
Testkauf zeigt die Realität auf
Woran liegt denn der Widerspruch zwischen Angaben des Herstellers, den Informationen der Händler und dem Handeln sowie dem Interesse des Kunden? Der Hersteller plant ein Modell, den Antrieb, richtet die Produktion danach aus, organisiert das Marketing und den Vertrieb. Nicht anders ist es in der Elektromobilität. Doch gerade die Händler scheinen oft ein Problem mit den Veränderungen zu haben. Bei unseren Testkäufen in der Vergangenheit zeigte sich immer ein und dasselbe Problem auf: Ich muss, aber ich will nicht, weil ich zu wenig Informationen habe, zu wenig verdiene und das Thema eMobilität noch nicht ausgereift ist. Ähnliches erlebten die Greenpeace-Tester nach Ausführungen in der „Wirtschaftswoche„. Dort hatte man sich in den Verkaufsgesprächen als ideale Käufer des rein elektrischen ID.3 ausgegeben. Trotzdem sei der Kompaktwagen nur in einem von 25 Fällen empfohlen worden, wenn die Interessenten zu Beginn keine Präferenz äußerten. Auch wenn die Testpersonen den ID.3 schon explizit in Erwägung zogen und „zwischen dem Elektro ID.3 und einem herkömmlichen Golf“ schwankten, wurde der Stromer nur in 7 von 25 Fällen empfohlen. Meist rieten die Verkäufer sogar explizit nicht nur vom Kauf des ID.3 ab. Sie äußerten sogar „grundsätzliche Zweifel an der Elektromobilität“, so die Angaben von Greenpeace.
Wir können das bestätigen und nicht nur bei Volkswagen, sondern auch den meisten anderen Herstellern. Zwar war die Situation insgesamt entspannter als bei unserem Test in 2019. Dennoch ist der Unterschied zwischen einem Verbrenner und der elektromobilen Variante sehr deutlich.
Das besondere bei Volkswagen ist aber das „Agenturmodell“. Demnach ist Volkswagen direkter Vertragspartner der Kunden, die Händler fungieren nur noch als Agenten.
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Sie beraten, führen Probefahrten durch und wickeln die Auslieferung ab. Die selbstständigen Händler müssen die Fahrzeuge nicht mehr vorfinanzieren, sie tragen also weniger finanzielle Risiken als im traditionellen Vertrieb. Damit will VW eine hohe Preisstabilität beim Modell ID.3 erreichen. Das ist wiederum die Grundlage für eine gesicherte und angemessene Provision für unsere Handelspartner. Ist das fair? Vielleicht, aber die Nachteile liegen auf der Hand. Während die Grundmarge bei Verbrenner-Modellen bei bis zu 18 Prozent liegen soll, beträgt sie bei den ID-Modellen nur bei 6 Prozent. Für die Händler heißt es, dass diese anders als bei einem Auto mit Diesel-, Benzinmotor oder auch einem Plugin-Hybrid – kaum eigene Rabatte gewähren können. Ohne Rabatt, so weiß es jeder Händler, geht heute kaum etwas beim Fahrzeugkauf.
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Elektroprämie vom Staat – Verbrenner Prämie vom Hersteller
Händler und Verkäufer bestätigen das auch gegenüber der WirtschaftsWoche. Bekannt ist zudem, dass der Beratungsaufwand bei Elektrofahrzeugen höher ist als beim Verbrenner. Mehr Fragen brauchen mehr Antworten. Die Marge und Prämie sind geringer, das ist nicht motivierend. Auch andere Händler von anderen Marken führen diese Argumentation.
Neben der Grundmarge sind die Händler aber vor allem auf das Servicegeschäft sowie auf Bonuszahlungen angewiesen. Gewährt werden diese zum Beispiel dann, wenn eine bestimmte Menge an Autos oder auch spezielle Ausstattungen verkauft wurden. Vorführfahrzeuge werden extra „vergütet“. Noch spielt die Elektroauto-Quote dabei kaum eine Rolle, aber sie ist bei den meisten Händlern Thema, weil sie angekündigt wurde. Gleichzeitig haben die Händler das Problem der Lieferbarkeit bei vielen Modellen. Es dauert zu lange und ist zu aufwendig. Die Änderungen der Gewohnheit für Provisionen, Margen und Boni verstehen viele Händler nicht mehr.
Da Verbrenner immer noch das Volumen ausmachen, werden diese Modelle von den Herstellern oft besonders „gefördert“. Höhere Rabatte, schnelle Verfügbarkeit, günstige Leasingraten. All das fördert noch gezielt den Verkauf von Diesel und Benzinern. Der Kunde versteht es aber nicht. Staatliche Förderung von Elektrofahrzeugen geht einher mit der Förderung der Hersteller für Verbrenner.
Das Problem liegt auf der Hand: Habe ich einem Kunden einen Verbrenner verkauft oder das Fahrzeug wurde geleast ist man diesen Kunden in der Regel los – zumindest für die nächsten Jahre.
Schulungen und Coachings gelten als Schlüsselelement
Dabei ist längst klar: Schulung, Coaching, Aufklärung. Dies sind wichtige Schlüssel, um Elektrofahrzeuge besser vermarkten zu können. Doch auch uns berichten Händler und Verkäufer immer wieder, dass bisherige Schulungen oberflächlich und theoretisch waren und zu wenig auf die Vorteile von Elektromobilität gegenüber Verbrennern und Plug-in-Hybriden sowie auf kritische Kundenfragen eingingen. Hätte man doch uns gefragt – wie zuletzt HYUNDAI Deutschland. Dort haben wir in mehrtätigen Coachings viele Händler schulen und informieren können. Es hilft und die Rückmeldungen sind sehr positiv. Immer wieder hörten wir: „Endlich mal keine Theorie, sondern echte Praxiserfahrungen.“
Wir werden das Themenfeld weiter beobachten und begleiten. Es ist sinnvoll und vor allem nachhaltig jetzt die Informationen zu erhalten, die man braucht. Der Interessent hat viele Fragen. Nur bei Antworten wird er Kunde werden.