Es ist kompliziert und gleichzeitig steckt sehr viel Doppelmoral in der wiederholten Forderung des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) nach einem schnelleren Ausbau von Ladeinfrastruktur. Eine wesentliche Ursache ist aber eher in der Bürokratie zu suchen. Förderungen von Bund und Ländern – eher unkoordiniert und widersprüchlich hemmen den Ausbau von Ladeinfrastruktur deutlich. Es wird viel behauptet und oft stoßen wir an Grenzen des Machbaren. Von der Idee bis zur Umsetzung sind viele Monate Vorbereitung und Bürokratie notwendig und viele Bundesländer ziehen sich aus der Förderung bei der notwendigen Ladeinfrastruktur zurück…
Ein Verband und die ewig gleichen Widersprüche
Wieder mal Frau Müller, die Cheflobbyistin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und die ewig gleiche Forderung zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und gleichzeitig Bremserin der Mobilitätswende. Wie abgesprochen zwischen Verband und Politik widerspricht auch Sie sich ständig, ohne konkret zu sein und schlimmer noch: Der Verband bremst deutlich und das aus gutem Grund.
Das Ladenetzwerk in Deutschland soll schneller ausgebaut werden. „Zum Stand Juli gibt es aber gerade einmal 39.000 normale Ladepunkte und 6.500 Schnellladepunkte“, kritisierte Sie und gleichzeitig weiß sie genau, dass Ihre Verbandsmitglieder bei Ausbau und der Nutzbarkeit vom Ladenetzwerk „IONITY“ mit der Verhinderung des Ladens für alle mit dran schuld sind, dass ein Durchdringen der Elektromobilität auch dadurch behindert wird, weil es Verunsicherung schafft. Frau Müller spricht in Ihrer Forderung bei Autohaus.de von 2000 Ladesäulen, die wöchentlich aufgebaut werden müssen. Sie fordert mehr Tempo und Anstrengung. Ahja.
Ladesäulen an vielen Autohäuser Ihrer Verbandsmitglieder – übrigens oft öffentlich gefördert, werden als Parkplatz missbraucht und nur für Vorführer genutzt. Öffentliches Laden, obwohl nötig und auch hier sinnvoll wird oft aktiv behindert. Sie selbst ist großer Fan von Plug-In Modellen – umstrittene Modelle, die schöngeredet und beschützt werden und das, obwohl sie wissentlich alles andere als klimafreundlich sind durch Mehrverbrauch und Fakeangaben beim Verbrauch ein Steuersparmodell sind. Alles, was auch nur im Ansatz regulativ wichtig wäre, wird auch hier vom Verband verhindert. Ihre „Sorge“ bezüglich Ladeinfrastruktur und Elektromobilität ist auch deshalb mal wieder nur heiße Luft. Übrigens: Die Behauptung: In Deutschland fahren jetzt 1 Million Elektrofahrzeuge ist auch deshalb falsch, weil die Hälfte davon Plug-In Hybride sind, die lobbybezogen als Elektrofahrzeuge eingestuft werden, aber nichts weiter als Mogelpackungen, also rollende Ölheizungen mit Elektromotor sind. Plug-In Hybride sind keine Elektrofahrzeuge. Basta.
Immer weniger Förderungen bremsen den Ausbau aus
Und während sich Politiker, insbesondere in der Wahlkampfmaschinerie, der Forderungen anschließen, erleben wir in der Realität unendlich viele Widersprüche. Zwar sind Förderungen vorhanden, aber sichtbar ist, dass sich viele Bundesländer aus der Förderung von gewerblicher und öffentlicher Ladeinfrastruktur zurückziehen, Programme gänzlich einstellen oder verkomplizieren. Bundesländer verweisen auf Förderung des Bundes, der Bund auf „ergänzende Programme der Bundesländer“. Jetzt glaubt man im Zusammenhang von Fahrzeugbeschaffung und gleichzeitiger Förderung von Ladeinfrastruktur den Wurf gemacht zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. Und während einer Ausschreibung für große Ladeparks läuft staunen wir auch darüber, dass die aktuelle Situation Tatsachen verheimlicht. Die von der Autoindustrie geliebten Plug-In Modelle verkauft werden, ohne die Notwendigkeit des Aufladens zu sehen und diese als aktive Verpflichtung einzuplanen. Ganz einfach gesagt: Politik, Industrie, Handel und Nutzern ist es vielfach egal ob diese Modelle aufgeladen werden. Und das hat ausnahmsweise nicht viel mit der öffentlichen Infrastruktur zu tun. Wussten Sie zum Beispiel, dass die vorsätzliche Nutzung von Plug Hybriden ohne aktives Aufladen ein Straftatbestand sein kann? Und bei den Ladesäulen kommt noch ein Faktor dazu: Die Kostenstruktur: Ein Ladevorgang ist durch viele Bedingungen, Steuern, Abgaben und Kosten im laufenden Betrieb schon sehr teuer. Gesehen wird oft der Börsenpreis beim Strom der ein paar Cent pro Kilowattstunde ausmacht. Der Rest? Für die meisten unsichtbar und deshalb schwierig nachzuvollziehen. Es muss verstanden werden. Hier muss sich vor allem die Politik erklären. Tun sie was dagegen und wie wird künftig reguliert und besteuert? Auch auf diese Entscheidung warten wir schon so lange.
Das Aushebeln von Regularien scheint salonfähig zu sein
Während kleine Versorger und Betreiber von Ladeinfrastruktur durch die Bürokratie gehemmt werden, bekomme große Anbieter ganz offensichtlich Boni für das Aushebeln der Vorgaben, die eigentlich für jeden gelten sollten. So hat das Ladenetzwerk IONITY den Ladepreis an seinen Ultra Schnellladern für bestimmte Gruppen von Fahrzeugen deutlich angehoben, während bestimmte Modelle bestimmter Hersteller ein „Ladeguddi“ erhalten und zu deutlich günstigen Konditionen aufladen können. Dennoch hapert es an der Zuverlässigkeit des Systems. Immer wieder gibt es defekte Stationen wie man ab und an liest. Währenddessen planen AUDI und PORSCHE nach eigenen Angaben eigene Ladestationen. Daran wäre nichts auszusetzen, wenn die Vorlage nicht IONITY zu seien scheint, denn beide Unternehmen wollen natürlich öffentliche Fördergelder nutzen, die aber die Bedingung haben, dass die Stationen öffentlich und für jeden sein müssen. Wie schreckt man ab? In dem man auch hier plant Einschränkungen für alle hinzunehmen, die nicht Porsche oder AUDI als Modellbezeichnung haben. Ob das geschickt ist? Bestimmt nicht. Dennoch wird es Wirkung haben. Im Aushebeln von Regularien sind die benannten Unternehmen ja nicht unbekannt.
Tesla kann es – bald für alle?
Auch deshalb hatte Verkehrsminister Scheuer gefordert, dass TESLA sein Ladenetz für alle öffnet. Wieder so eine Fake – Nummer wie es scheint, denn Tesla dachte selbst darüber nach -lange vor Scheuers Schrei und dem Aufzeigen, dass der lobbygetriebene Minister nichts zu sagen hat. Ob es tatsächlich kommt, wird man sehen und vor allem das „wie“ wird entscheidend sein. Was der Staat und die deutsche Autolobby nicht können funktioniert bei den Amerikanern tadellos. Eine flächendeckende, funktionale, unkomplizierte Schnellladeinfrastruktur, die jetzt sogar in Metropolen realisiert werden soll. Am Berliner Efeu Campus hatte Tesla den ersten Innenstadt Lade Park hochgezogen. Weitere folgen und auch der Ausbau von Superchargern wird deutlich angezogen.
Viel Show und falsche Ansätze
Während eher kleine Versorger und Stadtwerke noch im Dornröschenschlaf weilen, scheinen große Anbieter zu machen, die aber auch wiederholt an Grenzen stoßen. Dabei stellt sich für viele oft eine Frage: Wenn ich keinen eigenen Parkplatz habe: Wo soll ich denn Laden? Ein bisschen Show hier, ein bisschen Werbung da: Laternenladen in einer Straße als Test, ein oder 2 Ladesäulen an einem Supermarkt und auch das örtliche Schwimmbad oder Rathaus bekommt eine Säule. Gut, aber alles andere als ausreichend und alltagstauglich. Zwar haben immer mehr Unternehmen Interesse an Ihren eigenen Parkplätzen Ladeinfrastruktur aufzubauen, dafür sind die Förderungen zuletzt überwiegend deutlich reduziert worden. Dabei wäre das wichtig, weil unkomplizierter als der Aufbau im öffentlichen Raum und in Wohnquartieren. Auch das zentrale Modell ist nicht unbedingt zielführend, denn dezentrale Ladeinfrastruktur ist sinnvoller, weil direkt vor Ort produzierter (Öko) Strom verbraucht werden kann.
Es fehlt die Konsequenz und echter Wille
Die Annahme und der immer wieder geäußerte Wunsch nach Ladeinfrastruktur muss auch deshalb mal hinterfragt werden. Wo soll der aufgebaut werden und wie? Wäre es für Energieversorger und Stadtwerke attraktiv, dann gäbe es das doch längst in der Fläche. Wird aber so schluderig damit umgegangen, dass Ladesäulen als Parkplatz missbraucht werden, man öffentliche Ladesäulen als „Fakelader“ nutzt, um kostenfrei zu parken und wird die Kostenstruktur nicht entstaubt, dann lohnt es sich schlicht nicht. Und klar ist doch auch: Die Menge der Ladestationen ist das eine, die Nutzbarkeit und Qualität dieser Ladestationen ist deutlich wichtiger. Wir können nicht immer dazu raten. Bestimmte Konstellationen passen eben nicht. Aber: Wir bleiben dran.
Laufende Kosten sind zu hoch
Verschiedene Modelle sind in der Testung: Mobilitätshubs und Mobilitätszentren z.B. Diese könnten Mobilität und Ladeinfrastruktur bündeln, z.B. in Quartieren, die nicht oder nur eingeschränkt für den Individualverkehr geeignet sind. Übrigens: Derzeit sind wir in der Planung von rund 120 öffentlichen Ladestationen – auch deshalb können wir das genauso darstellen und aufzeigen, wie kompliziert der ganze Vorgang ist. Praxiserfahrung halt. Wichtig sind aber auch grundsätzliche Überlegungen: Einkaufspreis beim Strom und die komplette Abgabenlast, nicht nur aus steuerrechtlicher Sicht, sondern auch mit allen Vorgaben, mit Eichrecht, Transaktionen u.a. muss auf dem Prüfstand. Und das dicke Ende wird erst noch kommen, denn ab 2023 wird die Kreditkartenzahlung für neuerrichtete Ladestationen eingeführt. Ein weiterer Kostenblock – sowohl bei der Hardware als auch bei der Software und den (monatlichen) Gebühren.
Zu viele offene Fragen – ahnungslose Entscheider
Dennoch: Elektromobilität ist heute schon deutlich einfacher und alltagstauglicher als oft pauschal behauptet wird. Ja, es braucht eine funktionierende Ladeinfrastruktur in der Fläche. Aber die Bequemlichkeit vieler führt eben auch dazu, dass die Realität eine andere ist, als man will. Während wir intensiv an zahlreichen Ladeinfrastruktur Projekten arbeiten, erleben wir auch häufig die Grenzen. Dann heißt es nicht selten: Improvisieren. Die Bürokratie in der Vorbereitung und das Warten nach Antragstellung zur Förderung bremst deutlich aus und auch die Widersprüche bei Verbänden, Politik und deren Entscheider ist geprägt von Lobbyismus und Ahnungslosigkeit. Es könnte so schön und einfach sein. Auch die Sektor Kopplung, das Thema „Erneuerbare Energie“ spielt beim Laden eine Rolle. So viele offene Fragen – ob bidirektionales Laden oder Besteuerung von Ladestrom. Es bleibt eine Menge zu regeln. Nicht ablenken lassen von pauschalen Forderungen, wenn es nicht mehr ist als heiße Luft.
Viele Akteure mit wenig Ahnung vom Thema sind Entscheider, die oft nicht zusammenpassen. Auch deshalb ist es so schwierig. Bereits heute wird vieles nicht beachtet. Vom Eichrecht bis zur Praktikabilität. Betrachtet man so vieles mehr, dann ist auch klar: Das Thema ist überreguliert und ist in der Entwicklung hinter den Erwartungen.