Elektroauto: Der ID.4 von Volkswagen im emobicon TEST

Der ID.4 von Volkswagen im emobicon TEST | Bild: emobicon

Elektrisch mit einem Volkswagen – etwas Besonderes für uns, denn ich selber habe in meinem Autofahrer-Leben nie einen Volkswagen gefahren. Weder dienstlich noch privat. Ich habe hier und da was gehört aber mich mit Absicht nicht vorab informiert. Das Einzige was mich kritisch werden lässt ist: SUV und elektrisch. Das passt nicht wirklich zusammen, denn solch ein Modell mit angegebenen 400 km Reichweite wird diese kaum erreichen können. Die Frage drängt sich auf: Sind (Neu-) Nutzer darüber informiert, bevor sie enttäuscht werden könnten? Vorab kann ich schon mal sagen: Die Reichweite auf der Autobahn ist deutlich niedriger, als die meisten denken und ein ID.4 ist kein reiner Stadtwagen, sondern eigentlich für die Langstrecke gedacht. Wir waren sanft und richtig schnell mit dem Testfahrzeug unterwegs…

Geräumig und solide

Nach dem ID.3 ist er da – der ID.4 als geräumiger Elektro-SUV in der Größe eines Tiguan. Wir sind ihn gefahren, durch viel Schnee im Winter mit allen Vor- und Nachteilen, die sich dadurch ergeben. Geräumig, wuchtig, aber solide und angenehm der erste Eindruck. Das Basismodell des ID.4 Pure gibt es ab 36.950 Euro, aber immer noch abzüglich der aktuellen Förderung für Elektroautos. Das Modell bietet viel Platz für Mensch und Gepäck.

Die Vorsicht von VW beim Elektroantrieb

Der Eindruck täuscht nicht. Offensichtlich geht man sehr vorsichtig an die Elektrifizierung. Ob das gut ist, können wir nicht sagen – nachteilig wird ein SUV als Stromer ohnehin sein, denn die große Front wirkt sich deutlich im Verbrauch aus – dazu aber später mehr. Und VW-Fahrer scheinen ohnehin etwas konservativer zu sein, denn das digitalisierte Interieur mit dem winzigen Bildschirm hinter dem Lenkrad, dem großen Touchscreen daneben und dem Gangknubbel dazwischen ist ohnehin eher ungewohnt – für den nicht erfahrenen Fahrer eines Elektrofahrzeuges.

Vergleicht man den ID.3 mit dem ID.4 wird man kaum einen Unterschied in der technischen Ausstattung finden. Allerdings wirkt der ID.4 erwachsener, sogar edler und angepasster. Bildschirme und Bedieneinheiten sind bis auf wenige Details ziemlich identisch. Ein bis zu 12 Zoll großer Touchscreen auf der Mittelkonsole ersetzt die meisten Knöpfe und Schalter, und hinter dem Lenkrad gibt es nur noch sehr reduzierte Digitalanzeigen. Ich persönlich finde es gewöhnlich, sogar unübersichtlich. Es braucht eine Zeit bis man sich daran gewöhnt.

Angenehme Sitzposition, übersichtliches Cockpit im ID.4 / Bild: emobicon

Fehlende Logik des Bordcomputer

Nicht gut gelungen erscheint uns die Mischung aus Touch-Knopf und Touch-Bildschirm. Das hätte man zusammenfassen können. Das ist offensichtlich wieder der Vorsicht geschuldet in Anlehnung an den Beginn einer Veränderung. Ganz bestimmte Funktionen wie unterschiedliche Klimatisierungsstrategien lassen sich per Display zwar ziel- und passgenauer einstellen, doch wenn man den Gesamtkilometerstand erst im fünften Untermenüpunkt findet, ärgert das nicht nur Fahrtenbuch-Ausfüller. Die Übersicht und Menüführung sind nicht logisch.

Ein Augmented-Reality-Head-up-Display war in unserem Testfahrzeug installiert. Es ist klar und gut sichtbar. Es spiegelt im Wesentlichen alle Informationen des Cockpits wider. Bisschen digitaler Schnickschnack zeigt eine Richtung an und versteckt so manchen Mangel. Dazu gehört ein Lichtband unter der Windschutzscheibe. Dieses soll den Fahrer unterstützen und es funktioniert sogar gut.

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 Die Rekuperation ist enttäuschend

Das Fahrverhalten überzeugt. Es war glatt, viel Schnee und in einer Nebenstraße mit Tiefschnee zeigte sich der ID.4 solide und sicher. Richtig gut ist der spontane Antrieb des E-Motors. Beeindruckend der kleine Wendekreis.

Durch die Stadt ging es entspannt und ausreichend auch im ECO-Modus. Etwas enttäuschend war die Rekuperation. Im “Drive” Modus ist zu viel Bremstätigkeit notwendig, im “Brake” Modus ist das “One Pedal Feeling” zu schwach. Dabei ist das gerade im Stadtverkehr bei jedem Stromer ein großer Vorteil, finde ich. Es ist auch verschenkte Energie, die das Modell sicher gut gebrauchen könnte. Beeindruckend ist die sehr effektive Geräuschdämmung, welche auch kaum Windgeräusche überträgt. Ebenso ist die Federung sehr angenehm ausgelegt. Der VESS-Sound, d.h. der Geräusche- Schutz für Fußgänger, ist angenehm hörbar.

Der Verbrauch ist enorm

Winter, minus 6 Grad, das ist für die Reichweite ein Knackpunkt, denn so ein Modell wird nicht nur im Stadtverkehr gefahren. Auf der Testrecke war auch ein Abschnitt der A1 bei Münster und wie erwartet ist die Autobahn nicht seine Stärke. Bei 130 km/h verbrauchten wir 39 Kilowattstunden Strom. So bleiben von den angegebenen gut 400 km Reichweite für das Top Modell mit dem großen Akku vielleicht noch 270 km übrig – wenn überhaupt. Im ECO Modus regelt der ID.4 die Höchstgeschwindigkeit bei 130 Sachen ab.  Im Normalmodus und bei 140 km/h kamen wir auf 44 Kilowattstunden Verbrauch, bei 150 Kilometer und das haben wir nur kurz gefahren waren es sogar knapp 50 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Zu viel und nicht zielführend.

Fazit

Edel ist er, der ID.4 – im Gegensatz zu seinem Bruder, dem ID.3. Dieser wirkt wesentlich einfacher, obwohl sie technisch sehr ähnlich sind. Der Stromer ID.4 braucht einen Mix von Strecken und wird eher ein Stromer mit einem durchschnittlichen Alltag sein. Ich sehe ihn nicht als Langläufer, denn der Verbrauch ist deutlich zu hoch, wenn man ihn auf der Autobahn fährt. Der VW-Fahrer wird sich zurücknehmen müssen.

Die Ladeleistung beim Topmodell mit 11 kW AC und bis zu 125 kW DC ist alltagstauglich. An den Bordcomputer wird man sich gewöhnen können, aber ein wenig Luft nach oben ist da sicher noch möglich. Sorge macht mir Theorie und Praxis beim Verbrauch, denn klar ist: Eine Urlaubstour über hunderte Kilometer mit Familie an Bord könnte für den ungeübten eAuto-Fahrer mit diesem Fahrzeug eine nervliche Belastung sein.

Durch Eis und Schnee, bei minus 7 Grad zum Laden | Bild: emobicon
Hinweis: Der TEST mit dem ID.4 war weder beauftragt, noch wurden wir dafür bezahlt. Es ist unser subjektiver Eindruck aus Erfahrung in der Elektromobilität und im Vergleich zu zahlreichen Tests, die wir bisher unternommen haben, zu sehen.
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