Ladeinfrastruktur: Was der VDA über den Ausbau verschweigt

Bild: emobicon®

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur gilt als Kern zum Gelingen der Elektromobilität. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert regelmäßig deren Beschleunigung und mahnt mehr Unterstützung an. Sehr verwundert sind wir nun über die neueste Pressemitteilung des Verbandes. So schlecht schöngeredet und völlig an der Realität vorbei zeigen sich die Behauptungen über den Ausbaustand.

„Der rasche Ausbau unserer eigenen Ladeinfrastruktur zeigt, dass die Automobilindustrie alles tut, um die Elektromobilität auf die Straße zu bringen. Deutschland ist bereits Europameister bei E-Autos, nun erreichen wir auch die selbst gesteckten Ausbauziele für die Ladeinfrastruktur zwei Jahre früher als geplant“, so VDA-Präsidentin Müller Hildegard. Die Wahrheit ist eine andere. Auch der VDA sollte sich besser informieren, statt Aussagen zu treffen die nicht das ganze Bild aufzeigen.

Ein Netzwerk mit eingeschränktem Zugang

Der VDA weißt in seiner Mitteilung darauf hin, dass die hiesigen Autounternehmen über die gemeinsame Firma IONITY auch ein eigenes, für alle Fabrikate zugängliches dichtes Netz an öffentlichen Schnellladesäulen an den europäischen Fernverkehrsachsen errichten. IONITY ist ein Joint Venture von BMW, Ford, Mercedes-Benz, Volkswagen und seit Kurzem Hyundai und Kia.

Was aber gern verschwiegen wird ist, dass viele Fabrikate ausgeschlossen bzw. mit Wucherpreisen zur Kasse gebeten werden, wenn Sie IONITY Stationen nutzen. Selbst grosse Anbieter, wie EnBW, bieten für Nutzer der mobility+ App keinen Zugang mehr zu IONITY an. Ein Verfahren beim Kartellamt soll Klarheit bringen und auch die Verbraucherzentralen sind unglücklich über den Zustand des Ladens insgesamt. Keine Transparenz, heißt es pauschal dazu.

In der Mitteilung heißt es weiter, dass von den geplanten 400 IONITY-Ladestandorten in Europa aktuell 305 errichtet worden sein sollen. Der Abschluss des Aufbaus sei für Mitte nächsten Jahres geplant. In Deutschland sind 101 Standorte vorgesehen, nach Verbandsangaben sind 94 in Betrieb, bis zum Jahresende sollen es 100 sein. Damit gibt man sich offensichtlich zunächst zufrieden. Das Netz soll weiter verdichtet werden, “synchron zur Zahl der in Betrieb kommenden E-Autos“, so der VDA.

Händlersäulen sind selten öffentlich nutzbar

Die Autobauer haben zugesagt, an ihren Liegenschaften, Betriebsstätten und Handelsbetrieben bis Ende 2022 mindestens 15.000 Ladepunkte entstehen zu lassen. Dieses Ziel wird laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) bereits zwei Jahre früher zum Ende dieses Jahres erreicht. „Der rasche Ausbau unserer eigenen Ladeinfrastruktur zeigt, dass die Automobilindustrie alles tut, um die Elektromobilität auf die Straße zu bringen. Deutschland ist bereits Europameister bei E-Autos, nun erreichen wir auch die selbst gesteckten Ausbauziele für die Ladeinfrastruktur zwei Jahre früher als geplant“, sagte VDA-Präsidentin Müller Hildegard. Das kann aber so nicht stehen gelassen werden.

Sprechen wir mal über die Fakten: Während Fahrzeughändler überwiegend durch die Hersteller bzw. Ihrer Handelsorganisationen zum Aufbau von Ladeinfrastruktur “gezwungen” wurden, stellt sich in vielen Fällen die Situation heute so dar, dass diese Stationen oft nicht für das öffentliche Laden vorgesehen sind.

Fremdlader oft unerwünscht

Dort wo man, meist aus Gründen der Förderung oder Herstellervorgaben, Infrastruktur hat, kann man häufig nicht laden. Händler stellen zum Beispiel die Stationen mit eigenen Fahrzeugen zu und manche sagen auch offen, dass sie das Laden Fremder nicht möchten. Obwohl wir einen genormten Stecker haben sind Fahrzeuge anderer Hersteller an manchen öffentlichem Ladepunkt “nicht erwünscht”. In anderen Fällen erlebt man sogar, dass Stationen über das Wochenende zugeparkt werden. Der reale Ist-Zustand ist ein anderer als der VDA veröffentlicht. Nein, es sind keine Einzelfälle. Genauer gesagt: Im Einzelfall funktioniert es, aber nicht in der Fläche. Also kann von einer guten Ausbaustufe nicht gesprochen werden, finden wir. Also kann man klar sagen: “Ziel nicht erreicht, Frau Müller”.

Woran liegt es? Teils an verkrusteten Strukturen, Desinteresse am Thema, oder die falsche Handhabung, schon bei der Auswahl der Stationen vor Ort. Das sind die Hauptursachen für den aktuellen Zustand. Man könnte auch sagen: Wenn dieser Zustand Teil der Zukunft sein soll, dann klappt das nicht. Oft gibt es auch keine geeichten Säulen, sodass dann dort kein Strom “verkauft” werden darf. Ist dass das Ziel, Frau Müller?

Übrigens: Zu den weiteren Plänen der deutschen Automobilbranche im Bereich der Ladeinfrastruktur äußerte sich der VDA nicht. Forderungen wurden beim Autogipfel im November wiederholt, ohne aber aufzuzeigen, wie es richtig sein könnte.  Wir haben einen Wunsch an den VDA: Fordert nicht noch mehr Ladestationen, wenn es an der Qualität hapert. Qualität ist es, wenn es darum geht zuverlässig und problemlos laden zu können, auch an den Standorten der Autobauer und deren Händlernetz.

Falsche Vorgaben der Hersteller

Der VDA wünscht eine “… Koordination und die Beschleunigung von Verfahren.” Der Staat soll “ausreichend Mittel” zur Verfügung stellen. Der Ausbau, so Müller, sei “wirtschaftlich kaum darstellbar“. Das liegt, so unsere Erfahrung, an falschen Vorgaben der Hersteller.

Die Bundesregierung will, dass in Deutschland und Europa unkompliziert und flächendeckend Strom getankt werden kann. Dazu brauche es neben staatlichem Engagement einen „ambitionierten“ Beitrag aller Akteure, fordert die Regierung. Aus unserer Sicht sind die Akteure uneins, außerdem zu unflexibel, um die richtigen Maßnahmen zu treffen. Offen ist zum Beispiel immer noch der Schwerpunkt “Roaming“, um Ladechaos zu vermeiden. Aber an dem Ziel, bis Ende nächsten Jahres 50.000 zusätzliche Ladepunkte zu errichten, hält die Politik fest. Bis zu 100.000 Ladepunkte soll es dann geben.


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